Posthuis Vlieland, September 2020

Aktuelles



Eine depressive Welt

08.01.2024


Dezember 2023

…Dennoch bin ich mit der Traumatherapie nicht wirklich weitergekommen.

Oder vielleicht doch? 

In den letzten 3 Monaten ist dann endlich auch wieder im Bereich

Traumatherapie etwas passiert, aber das beim nächsten Mal. Und

wie entsetzlich schlimm die aktuelle Weltlage für ein weitergegebenes

 Kriegstraum ist… auch beim nächsten Mal. 


Also dann..


Aber es ist ja nicht so, daß dein Schmerz sagt: O.k., ich mache jetzt mal Pause. Nein, er gärt so vor sich hin, brodelt im Untergrund, schaut mal um die Ecke, ob da Platz für ihn ist. Und ja, es finden sich immer Momente, in denen er plötzlich und unerwartet schreit: Hallo, da bin ich wieder. 

Das Unterbewußtsein ist ein knochharter Freund, der dir immer das zumutet, was gerade eben noch geht. Und somit für mich sicher die wichtigste Erkenntnis im letzten Jahr - und ein großer Anker, daß das Unterbewußtsein dir dann den Schmerz „um die Ohren haut“, wenn es dir gut geht. Es schaut ganz genau hin, was dann geht und kostet diese Grenze aus, maximal aus.


Da war dann z.B. der eine Freitag, an dem der Verrat, daß Verlassensein in mir explodiert ist. Daß meine Mutter damals nachts in mein Zimmer gekommen ist, sieht, was mein Stiefvater dort macht, fragt: „Was ist denn hier los?“ und geht. Das, was ich damals nicht fühlen durfte, um überleben zu können, explodiert an einem Freitag im September in meiner Seele. Grausam, brutal, nicht auszuhaltender Schmerz. Fast 10 Stunden in … Agonie, hilflos in ausweglosem Grauen gefangen. Mühsam und quälend langsam den Weg zurück finden aus der Vergangenheit in das Hier und Jetzt. Beide Welten parallel erleben - aus der Zeit gefallen, surreale Momente, hier, jetzt, gestern, heute, damals, 1966, 1972, 1975, 1981 - alles da, alles gleichzeitig. Ein Zeitensturm.

Am Abend war ich wieder zurück. War ich wieder in der Gegenwart. Und hatte ein Stück des schwarzen Tsunamis abgearbeitet. Einen Tropfen? Einen Eimer? Eine Welle? Ich weiß es nicht, ich hoffe inständig, daß es eine Welle war, und nicht nur ein Tropfen. So unglaublich der Schmerz…


Und dann war noch der 7. Oktober 2023. Der Überfall der Hamas im Gaza-Streifen. Mein Kriegstrauma tanzt eine wilde Party. 

Ich komme aus dem … Kotzen … gar nicht mehr raus und könnte nur noch brüllen. Möchte all diese alten gestörten Männer von der Erdkugel fegen… Maßlose Wut, (geerbte) panische Todesangst, mein schwarzer Tsunami jagt mich durch die Tage. Wie ein Ping-Pong-Ball von einem Schmerz zum nächsten. Wut - Panik -Angst… Warum überhaupt noch aufstehen…

Hatte ich doch gerade wieder angefangen, ein wenig in der täglichen Presse zu schauen, was so auf dieser Welt los ist, geht jetzt wieder nichts. Gar nichts. Ich ertrage es einfach nicht. Aber man kommt natürlich nicht daran vorbei, irgendwas bekommt man immer mit. Auch einen Pistorius, der dringend warnt, wir müssten wieder wehrtüchtig werden. Und du stimmst ihm zu. Deine pazifistische Seele schreit und brüllt vor Verzweifelung, doch du stimmst ihm zu.


Das alte Jahr - endlich hatte ich Anfang Dezember wieder schreiben können, einen Eintrag veröffentlicht, der so endete:

Ich werde ihm (meinem Partner) noch weiter beistehen, bis … ? Ich mach keine Pläne,

ich schauen, was das Leben mir bringt, es wird‘s richten, ich bin vorbereitet.

Und ich bin so neugierig, was mir das Leben noch schenken wird. 


Das neue Jahr. Der 04. Januar 2024. Mein Partner steht vor mir. Krebs. Lymphom, weit fortgeschritten. Es ist abzuklären welche Variante - böse oder ganz böse. Die 5-Jahres-Überlebens-Chancen stehen je nach Variante ungefähr zwischen 75:25 bzw. 60:40.


Willkommen Leben. 



04.12.2023

Ein Kalenderblatt…: Das Jahr in drei Worten: Bitte nicht nochmal.


Was für ein Jahr… 5 Monate konnte ich nicht schreiben, ausschließlich mein Hyperarousal in Schach halten, jeden Mittag 2 h ins Bett und nachmittags bis in die Dämmerung am Rhein sitzen und wieder ins Gleichgewicht finden. 5, 6, 7 Stunden am Tag das Streßlevel im Zaum halten. Und in creatives Arbeiten flüchten… Ende September wurde es besser und im Moment scheint die aktuelle Krise überwunden (siehe unten). 

Das Problem mit dem Streß: Hyperarousal - ständige Übererregung. Wenn dann noch Streß oben drauf kommt, besteht das Risiko, daß der Körper in den EXIT(us) flüchten will. Also muß man als Betroffene mit großer Achtsamkeit die Anspannung eindämmen. Gott sei Dank bin ich gegenüber einer Überstreß-Reaktion höchst sensibel, kann sie rechtzeitig erkennen, als solche einordnen und damit umgehen.


…. Das Gleichgewicht finden, das Rauschen aus den Ohren kriegen, absolute äußere Ruhe, bis innere Stille eingekehrt ist: Am Rhein sitzen, aufs Wasser schauen, seit Ewigkeiten fließt er dahin und wird noch Ewigkeiten weiterfließen. Unser Leben ist nur ein Tropfen im endlosen Fluß.


Und für mich das James-Webb-Teleskop mit seinen faszinierenden Bildern, z.B. die „Säulen der Schöpfung“, wir sind alle nur Sternenstaub.

Mir das bewußt zu machen, hilft. Alles ist auf einmal so… klein. 

Dieses Bild finden Sie auf der Seite der
esa. Weitere Informationen (Video):


Tour the Webb Telescope‘s Pillars of Creation


arte: Das James-Webb-Teleskop - Erste Erkenntnisse 

So, also dann: Das Jahr in drei Worten: Bitte nicht nochmal 


Genau. Genau so und nicht anders. Oder vielleicht doch… Alles im Umbruch. Aber lassen Sie mich mit den guten Dingen beginnen:

Dass die Erfahrung mir sagt: Jede Krise in meinem Leben hat schlußendlich zu einer Verbesserung geführt. Erfahrungen, Erkenntnis, die mir Kraft und Halt, aber auch Optimismus geben. Zu dem, was dieses Jahr zu einem sehr reichen, positiven Jahr macht, gehören neue Menschen in meinem Umfeld, die mein Leben bereichern und mich mit wunderbaren Momenten, tiefgründigen Gesprächen und mit aufrichtiger Zuneigung und Wertschätzung beschenkt haben. Stellvertretend für noch einige andere möchte ich hier die wunderbare Gülli und ihre Schwester, die ganz zauberhaften Donato, Salim und Hakim, ja und diesen ganz besonderen Mensch Markus nennen. 

Aber auch die stete Zuverlässigkeit und der Beistand von Herzensfreunden, ja und auch unglaublich intensive Momente von Wertschätzung und Zuneigung mit meiner Familie.


Ja. So dann doch ein großartiges Jahr. Wo sich die ein oder andere Tür schließt, springen andere auf. Tatsächlich.


Dennoch bin ich mit der Traumatherapie nicht wirklich weitergekommen. Oder vielleicht doch? Andere Dinge haben sich davor geschoben. 

In den letzten 8 Wochen ist dann endlich auch wieder im Bereich Traumatherapie etwas passiert, aber das beim nächsten Mal. Und wie entsetzlich schlimm die aktuelle Weltlage für ein weitergegebenes Kriegstraum ist… auch beim nächsten Mal. 


… Türen schließen sich. Vielleicht stehen sie noch ein Spalt offen und das Scharnier muß nur geölt werden. Ich weiß es noch nicht, aber ich mache keine Pläne, alles wird sich finden, so oder … so. 


Da ist die liebe Freundin, die sich in einer toxischen Beziehung verloren hat. Manchmal ist sie noch da, selten. Nicht abends, über Tag, auf einen Kaffee. Damit er es nicht mitbekommt? Ich weiß es nicht. 

Dieses Thema muß ich auch nicht auflösen. Vielleicht kommt sie irgendwann „zurück“. Bleibt abzuwarten, ob es dann noch einen Basis für eine tiefe Freundschaft gibt. Im Moment fühlt es sich eher an, als seien wir - die Handvoll Freunde, die wir ihr in den letzten Jahren in allen Krisen beigestanden haben, „weggeworfen“ worden.


Es gibt ein anderes Thema: mein Partner. Letzes Jahr um den Jahreswechsel stand er vor mir: Er wäre physisch und psychisch am absoluten Nullpunkt (nichts, was ich nicht längst wahrgenommen hätte). Hat er daraus Konsequenzen gezogen? Nein, nicht wirklich. Er hat sich zumindest um einen Klinikaufenthalt bemüht, aber den Kopf eingezogen, als der nicht bewilligt wurde. Obwohl er doch aus meiner Geschichte wissen kann, daß man immer wieder um medizinische Maßnahmen kämpfen muß, obwohl sie einem zustehen.

Im Sommer dann ein kurze Auszeit, eine Burn-Out-Prävention, aber bis dahin hatte er unsere Beziehung schon weitestgehend vernichtet. 

Vernichtet? Ja. Irgendwo muß seine Überforderung hin, irgendwo müssen die Emotionen hin, und wenn du mit dem Rücken an der Wand stehst, fängst du an, (verbal) wild um dich zu schlagen. Im beruflichen Umfeld eines Oberstudienrates, der überwiegend in der Lehrerausbildung tätig ist, tja, findet das Wild-um-sich-Schlagen im Privaten statt. Es geht hier nicht um körperliche Gewalt, sondern verbale Überschreitungen und emotionale Verletzungen. Und doch, es gab auch eine Situation, wo man über körperliche Gewalt diskutieren muss. 


Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen. Ich bin fest davon überzeugt, daß er in einer Depression ist, er sieht das natürlich anders, spricht mir gleich Kompetenz im Bereich Depressionen ab.

Bis Mai haben wir uns sehr viel gestritten, ich habe mir diese verbalen Entgleisungen nicht bieten lassen. Aber irgendwann mußte ich mir eingestehen, daß es sinnlos ist, darüber zu diskutieren.

Der Moment, wo ich das begriffen habe: Als er mir Anfang Mai sagte, ich sei Schuld, daß er nicht abnimmt, weil ich immer Essen gehen will. Sie lachen? Nicht witzig, es war sein voller Ernst. 

An der Stelle habe ich begonnen, emotionale Distanz zu schaffen und mit dem Diskutieren aufgehört. Da kann nichts auf der Sachebene gelöst werden. 

Gerade vor ein paar Tagen habe ich von einer Ärztin gehört, daß es typisch sei, andere verantwortlich zu machen, wenn man nicht bereit oder willens ist, sich mit sich selbst und seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Und genau das passiert in einer Therapie. Sich einzugestehen, daß etwas mit mir nicht in Ordnung ist, wäre der erste Schritt. Aber es erfordert großen Mut, sich seiner Geschichte und dem Schmerz zu stellen. Da ist einfacher, bequemer, schmerzfrei anderen die Verantwortung für das zu geben, was gerade im eigenen Leben nicht richtig läuft.


Nun, jeder Betroffenen muß seinen ganz persönlichen Weg finden, mit einer Depression bzw. PTBS umzugehen. Meine Art und Weise ist recht unkonventionell und total offen. 

Man kann aber auch alles einfach falsch machen…


Als vor Jahren die Situation mit meiner Stiefmutter und ihrer Demenz sehr schwierig wurde, sagte mir die Pflegedienstleistung: Die Antwort auf alles ist Liebe. Sie können mit ihrer Mutter nicht mehr diskutieren, nichts mehr klären. Sie können sie nur noch in den Arm nehmen.

Und genau so mache ich jetzt weiter: Die Antwort auf alles ist (Menschen)Liebe. Wenn es ihm schlecht geht, nehme ich ihn den Arm und gehe. Wenn es ihm gut geht, lachen wir zusammen. Aber wir haben keine Themen mehr. Dieser reflektierte, gebildete Mensch, mit dem ich über alles mögliche reden und lachen konnte, ist verloren gegangen. Intensive und respektvolle Auseinandersetzungen über alle möglichen Thema sind nicht mehr möglich. Es geht nur noch darum, daß er recht hat und ich… keine Ahnung habe, Schuld habe, im Unrecht bin.

Und da ich mich diesen Gespräche verweigere, eskaliert er an anderer Stelle seine Emotionen in unerträglich geifernden Ergüssen zu allen möglichen Themen.

Dieser Mann, zu dem ich dieses Urvertrauen hatte, daß er mich niemals willentlich absichtlich verletzten würde, tut jetzt genau das. Unglaubliche Beleidigungen habe ich erfahren. Eigentlich unentschuldbar und nein, auch emotionale Not ist keine Entschuldigung. Wenn er sich denn überhaupt nur einmal entschuldigen würde.  

Wenn es dann wieder mal passiert, drehe ich mich um und gehe. Inzwischen hat sich für mich vieles beruhigt, es erreicht mich einfach nicht mehr. 


Bitter habe ich akzeptiert, daß ich ihm nicht mehr vertrauen kann. Das hat er nachhaltig zerstört, dabei ist doch Vertrauen die vielleicht wichtigste Basis einer Beziehung. Und, je mehr ich mich zurückgezogen haben, um so mehr bemüht er sich um mich. Zugewandt und liebevoll, um bei nächster Gelegenheit wieder zu beleidigen, durchaus subtil, und zu verletzen. 

Aber ich kann ihm nicht mehr vertrauen. Der Alltag jedoch ist relativ leise und entspannt.


Warum ich noch da bin? Ja… es hat Gründe. Ich hatte in ihm einen ganz wunderbaren Partner, der mich über Jahre in meiner Krankheit bedingungslos unterstützt hat, und habe ihn nun an eben diese Krankheit verloren. 

Nochmal: Es erklärt sein Verhalten, aber entschuldigt es nicht!

Es hat noch einen anderen, interessanten Aspekt. Eines meiner Themen ist die Wertschätzung, die ich als Kind und Erwachsene eben nicht durch meine Mutter erfahren habe. Und jetzt befinde ich mich in einer Situation, wo mein Partner genau das triggert, ich aber andererseits aus meinem sozialen Umfeld größte Wertschätzung erfahre. Insofern hat die Auseinandersetzung mit meinem Partner wichtige traumatherapeutische Aspekte, die es aufzuarbeiten gilt. 


Ich werde ihm noch weiter beistehen, bis … ? Ich mach keine Pläne, ich schauen, was das Leben mir bringt, es wird‘s richten, ich bin vorbereitet. Und ich bin so neugierig, was mir das Leben noch schenken wird. 


10.07.2023


Endlich, nach 10 Wochen konnte ich wieder an den „Mutter“-Text. Traumatherapie kann man halt nicht prozessoptimiert abarbeiten, Traumatherapie braucht Zeit.

Und immer wieder an den Skills arbeiten, um die wild explodierenden Emotionen einzufangen und den Alltag zu bestehen. Über den Metall-Igelball, um unerträglichen seelischen Schmerz mit verletzungsfreiem, körperlichem Schmerz aufzufangen, über Riechreize, creatives Gestalten bis hin zu fast täglichem Yoga, um einmal am Tag in den Ausgleich zu kommen. 


Also: hier finden Sie Mutter - Teil 1.

Es wird weitergehen… Aber was jetzt kommt, was das Trauma meiner Mutter mit mir gemacht hat, ist nochmal eine Tour de Force. Bitte haben Sie Geduld.


Und das absolut nervigste ist, daß die emotionale Erschöpfung mich fast jeden Mittag zwei Stunden ins Bett wirft. Nochmal zwei gestohlene Stunden in meinem Leben… täglich. 

Boah ey… das kotzt mich an!!!!

Weitermachen, einfach weitermachen….


09.06.2023/21.06.2023


Seit Wochen drücke ich mich vor dieser Einlassung. Aber es ist doch so gravierend, daß ich mich entschieden habe, es doch zu veröffentlichen. 

Um in diesem Spannungsfeld komplexe PTBS/Depression zu (über)leben braucht‘s ein Sicherheitsnetz. Ganz essentiell sind der/die Partner/in und Freunde. Und zwei der wichtigsten Menschen sind mir weggebrochen.


Wie viele andere auch, haben die Ereignisse der letzten Jahre (Corona, Ukraine-Krieg u.a.) meinen Partner vermutlich in eine Depression getrieben. Er war meine größte Hilfe und Unterstützung - und nun ist diese weggebrochen. Es ist zumindest eine Erschöpfungs-Depression diagnostiziert und - er tut nichts. Doch etwas macht er schon: 

Er steht in seiner körperlichen und emotionalen Erschöpfung „mit dem Rücken an der Wand und schlägt (verbal) wild um sich“ - und immer trifft es mich.  Um mich selbst zu schützen, habe ich mich sehr, sehr weit aus der Beziehung zurückgezogen.

Tatsächlich eine kaum zu tragende zusätzliche Bürde, da er sich der Dringlichkeit einer Therapie verschließt und seinen Zustand nicht ernst nimmt. Ich kann nur bitter, ganz bitter hoffen, daß bald DER Zusammenbruch kommt und er in Therapie geht, sonst tötet die Krankheit unsere Beziehung endgültig.


Und eine ganz wichtige Freundin und Vertraute ist eine neue Beziehung eingegangen. Sie muß ihr Standing gegen die besitzergreifenden Ansprüche dieses neuen Partners erst finden und neu definieren, um sich selbst nicht wieder zu verlieren. 

Darüber hinaus finden im familiären Umfeld Umbrüche statt, die auch bewältigt werden wollen - ich bin als Tante gerade sehr gefordert, und jetzt „da“ zu sein, ist das Wichtigste überhaupt für mich. Egal wie es mir geht - ich bin da - und wenn ich auch anschließend eine Woche ins Bett muß, ich bin da. Punkt!

Und all das in diesem Moment, wo der schwarze Tsunami tröpfchenweise über mir zusammenbricht. 


Bedingt durch den Hyperarousal muß ich mein Streßlevel unbedingt unten halten, ein Zuviel an Streß treibt den Körper in den Fluchtreflex „Suizid“. Ich kann diesen Impuls sehr genau fühlen, aber auch als Streß-Symptom einordnen. Aber die geplante Reise mit meinen Neffen muß ich mit großer Trauer absagen, ich muß zuhause bleiben, in „sicherer“ Umgebung. Sämtliche angedachten Reisepläne liegen ad acta, ich muß zuhause bleiben… safe!

Fast jeden Abend sitze ich am Rhein und finde dort für einen Moment Seelenruhe und komme in den Ausgleich. Überlebensstrategie. 


Aber das Trauma schert meine Lebensumstände nicht. Ich soll, muß die Traurigkeit zulassen, um nicht an ihr zu ersticken. Diese (nach)erlebte Traurigkeit macht die Welt surreal, aus der Zeit gefallen, die „Draußen-Zeit“ passt nicht zur „Innen-Zeit“, alles merkwürdig verschoben. Ich habe wieder Wochen hinter mir, entsetzlich. Irgendwie weitermachen und ganz wichtig - keine relevanten Entscheidungen treffen, alles irgendwie verschieben. Ich habe mir ein Schwarzbuch gekauft, um das „Schwarz“ aus dem Kopf zu schreiben und die Seele zu entlasten, aber selbst dazu fehlt die Kraft…


Doch - ich werde nicht aufgeben, ich kämpfe weiter. Da sitz der Trotz auf meiner Schulter und brüllt die Welt an: Die Krankheit wird nicht gewinnen! Am Ende siegt immer mein unbändiger Wille, zu überleben. 





08.05.2023

Es stockt. Schon wieder. Immer wieder. Nachdem ich den folgenden Text geschrieben hatte, war ich wieder einmal einige Tage „out of order“. Es ist so zermürbend… also: 


Ich bin längst mit der Geschichte meiner Mutter angefangen. Habe Kindheit und Jugend soweit bekannt zusammengetragen, so wie sie es mir erzählt hat. Es ist sehr wenig. Wie viele aus der Kriegsgeneration haben auch meine Eltern fast nichts aus ihrer Jugend - den (Nach)Kriegsjahren berichtet, sie wollten nicht zurückdenken. So ist es nicht viel, was ich aus der Kindheit und Jugend meiner Mutter weiß. 

Von einigen tiefen Verletzungen weiß ich und habe sie im Text aufgegriffen. Natürlich laufen die Gedanken während des Schreibens hin und her, Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend, neue Erkenntnisse erwachsen aus der Auseinandersetzung mit ihrer, unserer und meiner Geschichte. Verstehen, wieso ihre Liebe zu den Kindern eine so kranke Ausdrucksform hatte, geprägt durch ihre eigenen Traumata, aber kein Entschuldigen mehr. Denn, nochmal: 


Dezember 2021, Gruppentherapie: „Worauf sind Sie stolz?“ werden wir gefragt. Ein Mann, Anfang 50, antwortet: „Daß ich die als Kind erlebte Gewalt und den Mißbrauch nicht an meine Kinder weitergegeben habe und es mir gelungen ist, ihnen ein gutes Zuhause zu geben und ihnen ein liebevoller Vater zu sein“.


Und dann muß ich wieder abbrechen. Ein eigenes Trauma von mir explodiert in meinem Herz. Etwas, von dem ich dachte, ich hätte es längst überwunden. Aber nein, es hat nur auf diesen Moment gewartet.

Das ist immer wieder (mein) das Problem: Der Verstand hat den Sachverhalt, die Verletzung lange erkannt und argumentativ widerlegt. Aber die Emotion, der Schmerz, ein weiterer Tropfen aus dem schwarzen Tsunami, ist längst nicht aufgearbeitet. 58, 60 Jahre war die Emotion gefangen in tiefer Verdrängung und jetzt explodiert diese Verletzung in meinem Herz. 

Da ist dieses kleine, zarte Wesen, so klein, daß es noch kein Bewußtsein für seinen Namen hat, gefangen in lichtlosem Dunkel. Ein Verschlag, kaum größer als das Wesen, mit ausgestreckten Armen kann es den Raum tasten, so lichtlos dunkel, daß ich sie nicht sehen kann. In einer Meditation gelingt es mir, diese so kleine Hand zu fassen und versuche, in einen Dialog zu kommen. Aber zu schwarz, zu dunkel, zu verzweifelt ist diese kleine Wesen. 

Ungeliebt, wertlos, ihr Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung erstickt von der Ignoranz, der Verleugnung der Mutter, eine verzweifelte Seele in tiefster Dunkelheit. 

Dieser Schmerz explodiert in mir, raubt mit den Lebenswillen, ich fühle (nach), wie dieses kleine Wesen nur noch das Ende von allem will. 

Schwierige Tage. Lähmung. Dieser Schmerz hat mich so überrannt, daß ich all meine gelernten Skills vergessen habe, mir selbst nicht mehr helfen kann. 

Erst das Therapiegespräch Tage später hilft mir, meine Skills wiederzufinden und langsam, nach knapp vier Wochen, bin ich „wieder in der Spur“, leiste meine Traumaarbeit und versuche Zugang zu finden zu diesem Wesen. Noch ist alles in dieser lichtlosen Dunkelheit, es wird dauern. 

Aber ich kann jetzt erst einmal weitermachen.  


Anmerkung: Ich habe diese Situation sehr sachlich beschrieben, allerdings ist das Durchleben der Situation nicht distanziert möglich. Du bist dann wirklich in der Situation, dieser unglaubliche Schmerz ist real. 

„Manche Erinnerungen sind so schlimm, daß es ein großes Maß an Reife braucht, um sie zuzulassen“ sagte mal ein Therapeut zu mir. Und so ist es. Nur weil ich schon so viel aufgearbeitet habe, bin ich überhaupt in der Lage, das auszuhalten, nicht dauerhaft zu verzweifeln und - ganz wichtig - suizidale Momente als Vergangenes einzuordnen und zu überleben. 


Und, für mich, in meiner emotionalen Welt, ist das, was ich gerade hier beschrieben habe, viel, viel schlimmer, als der sexuelle Mißbrauch. Im Moment scheint es mir, daß dies womöglich die primäre Verletzung ist, die erst alle weiteren möglich gemacht hat. 



31.03.

Auf der Flucht… ein Projekt jagt das nächste: Nähen, schrauben, bohren, nicht zur Ruhe kommen wollen, nur nicht denken, bloß nicht hingucken. 


In der letzten Aktualisierung vom 11.03.2023 ging es darum, wie es gelingen kann, sich als Mißbrauchsopfer seine eigene Sexualität aktiv zurückzuerobern. Das ist ein Riesenschritt, der meine in der Krankheit erstarrte Seele wilden, tobenden Stürmen aussetzt.

Auf der einen Seite die große Befreiung, die den Körper mit Unmengen an Endorphinen und Adrenalin flutet, mir unendlich Kraft gibt. Auf der anderen Seite die Aufarbeitung des Mißbrauchs. Und das Unterbewußtsein ist ein kleines mieses… Sie wissen schon. Es offenbart sich scheibchenweise, sobald man Kraft genug gesammelt, kommt es aus der Dunkelheit und wirft mit Dreck.

Zwei Flashbacks in den letzten 14 Tagen, aber nicht so richtig, nur Andeutungen sehr realer Erinnerungen, beide eine ganz kleine Scheibe von einem riesigen Etwas. Eine Ahnung, daß das, was dahinter steckt, so gewaltig ist, daß die Annäherung nur in kleinsten Schritten erfolgen kann. Aber auch ganz brutal: Das Körpergedächtnis - echter, realer Schmerz, der den Unterleib auseinander reißen will. Und - Körpergedächtnis! - da hilft kein Ibuprofen und kein Heizkissen, da mußt Du durch…

Dieser riesige, tiefschwarze Tsunami, der hinter mir steil aufragt und über mir zusammenbrechen will - ich denke, es ist gar nicht der körperlich vollzogene Mißbrauch, sondern die brutale, emotionale Gewalt, diese so verletzte und verlorene Seele eines Kindes, eines Teenagers in ihrem schreiende Entsetzen und ihrer bodenlosen, schwarzen Einsamkeit. 

In einzelnen Tropfen beginnt der Tsunami sich zu bewegen. Und jeder Tropfen ist ein Trigger des sexuellen und emotionalen Mißbrauchs.

Schwierig halt alles.


Der Riesenschritt bringt aber auch: Hoffnung! 💖

Nicht weit entfernt von der Stelle, wo im Dezember 2017 fast alles zu Ende gegangen wäre - das erste Mal seit Jahren geht es mir richtig, richtig gut. Und ich kann dieses Glück tatsächlich spüren. Hoffnung! 

Es ist Mittwoch, der 15. März, so gegen drei Uhr nachmittags - ein Wendepunkt.


Und dann das, Geburtstagsgrüße:


„Sei weiterhin das strahlende Lichtwesen, was Du bist, und erleuchte viele weitere Herzen mit Wärme und einem Schuß Humor.“ 


Auch das bin ich. Vielleicht ist es das kleine Mädchen, das sich mit 3 oder 4 Jahren weggeschlossen hat, um nichts mehr zu fühlen und nur noch zu funktionieren. Im Laufe der Therapie hat sie sich irgendwann gezeigt, inzwischen konnte ich sie wieder integrieren, ihre unverbrauchte Lebensfreude, ihr unverbildeter und offener Blick auf das Wesen Mensch, ihre Neugier auf das Leben. Ihre grenzenlose, unenttäuschte Liebe. 

Mein Rettungsanker.

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Und natürlich zwingt mich die persönliche Auseinandersetzung mit Mißbrauch und eigener Sexualität an ein Kernthema:


Meine Mutter, nein: Die Mutter - Distanz schaffen, zu viel Emotionen, zu viel Verletzungen.


Dezember 2021, Gruppentherapie: „Worauf sind Sie stolz?“ werden wir gefragt. Ein Mann, Anfang 50, antwortet: „Daß ich die als Kind erlebte Gewalt und den Mißbrauch nicht an meine Kinder weitergegeben habe und es mir gelungen ist, ihnen ein gutes Zuhause zu geben und ihnen ein liebevoller Vater zu sein“.


Genau in diesem Moment, mit fast 60 Jahren, habe ich endlich aufgehört, Verständnis für meine Mutter zu haben. Immer neue Entschuldigungen zu finden, daß sie nicht anders konnte. 

Doch - wir alle können anders! Es ist einfach nur eine Entscheidung, Dinge anders zu machen, als man es selbst erlebt hat. 

Und doch bleibt das Verhältnis zu meiner (verstorbenen) Mutter ambivalent. 

Eine Erinnerung: Die Mutter, die in mein Jugendzimmer kommt, während mein Stiefvater unter meiner Bettdecke rumfuchtelt: „Was ist denn hier los?“, sich umdreht und wieder rausgeht. Die am nächsten Morgen nicht nachgefragt hat, „was denn da los war“, die ihrem Mann nicht die Koffer vor die Tür gestellt hat, die alles verdrängt hat, die später im Leben von sich behauptet hat, sie sei eine gute Mutter gewesen. 


Ich arbeite an dem Thema…


Was für eine wunderschöne Frau, Jahre bevor ihr Trauma aufgebrochen ist, und wie verbittert sie am Ende war.


11.03.

Ein Datum - eine ständige Erinnerung an jemanden, mit dem ich lange Zeit viel Spaß hatte. Daß ausgerechnet der Gedanken an diesen Menschen der Einstieg ist dieses Thema bildet… Solltest Du das je lesen, trotz allem anderen von Herzen Dank für die vielen schönen Stunden.


Worauf läuft das hinaus? Darum geht‘s: Zum Thema Depressionen und Sex hatte ich schon hier und hier geschrieben.

Das war jedoch, bevor der fortwährenden sexuellen Mißbrauchs aus der Dunkelheit der Amnesie gebrochen ist. Wie nun wieder einen Weg zurückfinden zu einer positiv erlebbaren, befreienden Sexualität? 

An dieser Stelle verlasse ich jetzt den Bereich Aktuelles. Das Thema ist so speziell, ich möchte Sie da nicht reinstolpern lassen. Wenn Sie das Thema interessiert, dann gehen Sie bitte direkt an diese Stelle


Und ganz besonderen Dank an die wenigen Menschen, die mich auf diesem sehr diffizilen Weg einfühlsam begleiten (dürfen). Natürlich meine Therapeutin, Frau Dipl.-Psych. Michaela Grant, mein sicherer Anker und einfühlsame Begleiterin, und… da belassen wir jetzt mal bei.

Doch, Moment, eines muß sein: M. - DANKE!


Aus einem anderen Blickwinkel (Kinderprostitution in den 1970er) - Interessant für meine Geschichte fand ich das Schlaglicht auf zeitgenössische Aspekte „freier“ pädophiler Sexualität. 

Der Spiegel: Babystrich in Hamburg, 29.01.2023


…und sonst … der Frühling kommt, meine Vespa faucht in der Garage und will raus. Gott, was freue ich mich darauf, wieder unterwegs zu sein. Stilecht. Im Petticoatkleid. Und natürlich habe ich einen Überzieher für den Nierengurt genäht, ich werde doch den Style nicht mit einem profanen schwarzen Nierengurt verderben. 😂

Immer noch ist eine Ausfahrt mit meiner Vespa mein zuverlässigstes Antidepressivum.



14.02.2023

Seit Monaten will ich weitermachen mit dieser Website (siehe unten Nachtrag vom 27.09., erst jetzt veröffentlicht). Und doch findet sich immer eine Ausflucht, etwas anderes zu tun.

Die Traumatherapie ist anstrengend genug, ein ständiger Horrortrip. Ich muß wieder ins Krankenhaus, stehe immer wieder vor der Selbsteinweisung. Und ich habe überhaupt keine Lust dazu, wieder 8, 9, 10 Wochen? Krankenhausalltag, boah ey, keine Böcke, aber ich muss…

Solange meine Dissoziative Bewegungsstörung nicht in den Griff bekommen wird, kann meine Seele nicht heilen.

Ich bin so müde, so erschöpft - so aufgefressen von meiner Krankheit, keine Reserven. Keine Kraft für soziale Kontakte. Ich muß mir den Alltag abringen, zwinge mich, ein Mindestmaß an Kontakten zu halten. Kampf - Tag um Tag kämpfen.

Aber ich will jetzt weitermachen mit meiner Website, fest vorgenommen… 🙈


Mein ganzes Leben lang habe ich alle Herausforderungen angepackt und zügig abgearbeitet. Aber so funktioniert Traumatherapie nicht - anfangen und zügig abarbeiten. Das ist kontraproduktiv. Loslassen und (in therapeutisch gelenkten Bahnen) treiben lassen - dann kriecht das Grauen aus den dunklen Ecken und kommt ans Licht. Scheibchenweise, eine nach der anderen.


Willkommen im Horrortrip Traumatherapie.

„Warum ich mir das antue?“ fragen Sie. Es ist keine Entscheidung, die man bewußt trifft. Das Herz schreit danach, endlich vom Grauen der Vergangenheit befreit zu werden, und dafür muß alles bzw. vieles ans Licht. Und es zwingt dich in die Auseinandersetzung. Punkt.


Weitergegebenes Kriegstrauma:

Jede Auseinandersetzung mit dem Ukraine-Krieg birgt die Gefahr, daß in mir Todesangst explodiert, wie ein Vulkan. Die Emotion ist real, sie ist der Spiegel des Bombenangriffs, der meine Mutter traumatisiert hat. Das Wissen darum ändert nichts daran, daß die Todesangst eine reale Emotion ist, die mich auffressen will, lähmt, handlungsunfähig macht, mich zurückwirft in einen „Funktionieren-müssen-Modus“, den ich ein Leben lang gelebt habe und der mich krank gemacht hat. Es braucht Tage, in denen nichts geht, um mich wieder einzufangen und ins Hier und Jetzt zu holen.


Achtung Triggerwarnung:

Öffnen Sie die "Erinnerungen" nur, wenn Sie sich absolut sicher sind, daß Sie sich mit den Erinnerungen sexuellen Mißbrauchs auseinandersetzen wollen....



Und kaum hast du Luft geholt, kannst weitermachen…


  • Erinnerungen


    … springt in meinem Kopf das Bild von Oralverkehr auf, wie mein Stiefvater vor mir steht und mir seinen Penis in den Mund schiebt. Immer noch will ich mir nicht vorstellen, daß das wirklich stattgefunden hat, will nicht akzeptieren, daß da was ist. „Soso“ sagt mein Unterbewußtsein, „du willst mir nicht glauben“… und schon habe ich diesen Geschmack im Mund, diesen ganz bestimmten Geschmack.

    Geruch und Geschmack sind die intensivsten Trigger, die es gibt. Vielen Dank auch. 

    7, 8, 10 Tage geht wieder gar nichts…


    Und kaum hast du Luft geholt, kannst weitermachen…


    liegst du abends im Bett, schließt die Augen - gelbe Augen stieren mich an, aus dem Nachtschatten löst sich ein schwarzhaariges böses Monster mit gelben Augen, das mich lüstern anschaut und mich fressen will. Die Angst eines 10 oder 11jährigen Mädchens explodiert in mir, echte, reale Angst, das Herz rast, der Atmen will aussetzen. Ich reiße die Augen auf, liege zuhause im Bett. Luft holen. Runter kommen… Ich schließe die Augen… und da ist es wieder, gelbe Augen stieren mich an… Angst..

    Ich kann keine Luft holen, halte den Atem an, bis der Reflex einsetzt...

    Irgendwann schaffe ich es, in meinen  in meinen imaginären Sicherheitsraum zu flüchten, mein weißer Elefant trägt mich, die weißen Drachen schützen mich. Irgendwann schlafe ich ein.


    Fast 14 Tage hat mich das gekostet, in denen nichts möglich war…

29. Mai 2022 - Punta di Hidalgo/Teneriffa


Das habe ich noch nie gesehen - im Sonnenuntergang strahlt die Sonne senkrecht gen Himmel.

Ein magischer Moment.


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Mehr:

  • 2022 Mai/Dezember

    27.09. (Nachtrag)

    Traumatherapie. Sommerzeit. Erst war ich im Urlaub, dann meine Therapeutin. Auf der Stelle treten, verharren, langsames Abgleiten in die Schwärze…

    Wie weitermachen. Wieder einmal beginne ich, meinen Reha-Bericht zu lesen, Emotionen stürzen auf mich ein, es braucht Tage, um den Bericht zu lesen. Immer wieder muss ich abbrechen und die Emotionen in die nächste Therapiestunde mitnehmen.

    Dann, auf einmal, bricht etwas durch. Eine erste Erinnerung durchdringt die Amnesie. Ein unsagbar schwerer Moment, trotzdem: Endlich! Die Tür hat sich einen Spalt geöffnet, es geht weiter.


    Ich frage nach: Die Therapie ist so anstrengend, bestimmt brechen etliche Patienten ab? Tatsächlich, durchaus gibt es genug Fälle, wo ein Patient abbricht, sobald er/sie einen Status erreicht hat, mit dem er/sie leben kann. Oder sie geben einfach auf - betäuben sich, um weiter zu leben, oder auch nicht. Tabletten, Drogen, Alkohol. Suizid.


    Ich will nicht aufgeben - ich will leben. 

    Ich kann nicht aufgeben: Eine dissoziative Störung kann nur in der Psychotherapie aufgelöst werden. Mehrfach schon habe ich meine Form der dissoziativen Störung beschrieben: Mein ganzer Körper steht unter Strom, quasi ein inneres Vibrieren, vergleichbar mit dem Gefühl starken Frierens, ein Brennen, als ob ich in Flammen stehe, der Juckreiz, der sich bis in die Augäpfel frisst. Wenn ich unter Stress komme, eskaliert die Störung in einen Krampf, der den ganzen Körper erstarren lässt. Wenn ich entspannt bin, entlädt sich die Spannung in unkontrollierte Zuckungen.

    NELA

    Nimm es wahr, erlaube es Dir (dich endlich zu entspannen), laß es zu, atme weiter


    Seit dem 04. Mai 2018 begleitet mich die dissoziative Bewegungsstörung 24 h am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr (Nachtrag: Video Januar 2023).


    Was mir zu dieser Störung einfällt, ist das Nacherleben des sexuellen Missbrauchs, das damals nicht mögliche Abwehren. Aber auch das weitergegeben Kriegstrauma, das im Bombenhagel kauern und nicht Weglaufen können. Aber die Mechanismen disszoziativer Störungen sind noch lange nicht geklärt.

    Solange ich psychisch stabil bin, kann ich die Situation handhaben, aber sobald ich aus dem Gleichgewicht komme, breche ich zusammen.

    Aber: Ich gebe nicht auf! 



    06.06.2022

    So langsam geht es wieder… Drei Monate nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs habe ich für den Moment einen nachrichtenfreien Alltag arrangiert, in dem ich leben kann. Mein Partner bringt mich regelmäßig - gefiltert - auf Stand. 


    Der erste Schritt: diese ererbte Kriegsangst in mir. Meine Mutter, die Angst hat, ihr Kind nicht beschützen zu können. Und die selber Kind war und oft genug diese unsagbare Angst erlebt hat, ihre eigene Mutter im Krieg zu verlieren. Beides als diffuse überlebensgroße Angst in mir zu erkennen und zu sehen, daß ich mich selbst nicht verlieren kann.

    Liest sich ganz einfach, will aber erstmal als Erkenntnis reifen und integriert werden. 

    Wie die Weitergabe von Traumata funktioniert, ist ein recht komplexes, aber auch sehr spannendes Thema. Einiges findet sich auf dieser Seite. Wen das Thema tiefergehend interessiert: Lassen Sie uns reden, oder beginnen Sie einfach, zu recherchieren. 

    Was bleibt, ist die Angst die viele von uns teilen: Wie der Konflikt weiter geht. Ob Putin es bis zum äußersten treibt… Was noch auf uns zukommt?


    Was habe ich noch gemacht, um nicht dem (Kriegs)Wahnsinn zu verfallen? Erst mal aus dem Alltag geflüchtet. Ein langer geplanter Urlaub hat ersten Abstand geschaffen, aber nicht ausgereicht. 

    Dann bin ich kurz entschlossen mit einer Freundin auf einen Kunst-Tripp gegangen. Habe mir 5 Tage lang den Kopf mit den schönen Künsten „zugeballert“. Das hat mir, uns ganz viel gegeben. Ich kann nicht umhin, hier kurz auf das Thema „Kunst“ einzugehen:

    Wann waren Sie das letzten Mal im Museum? Oder hat man Ihnen den Zugang zur Kunst auch ordentlich verleidet? Weg damit! Weg mit dem Dünkel, den das Bildungsbürgertum sehr gerne darauf legt!

    „Kunst, die man erklären muß, ist langweilig!“ pflegte der Künstler zu sagen, für den ich 16 Jahre gearbeitet habe. Richtig! Natürlich kann man sich auch kunstgeschichtlich damit auseinandersetzen, muß man aber nicht. Das ist keine Voraussetzung, um sich auf Kunst einzulassen. Das einzige, was Sie brauchen, ist ein offenes Herz: Dann kann sie die Kunst erreichen, die Schönheit Sie begeistern und Ihnen ganz neue, unglaublich bereichernde Emotionen schenken. 

    Und - glauben Sie mir - vieles, was Sie da rechts und links im Museum hören, ist einfach nur das Weghören wert.

    Seien Sie mutig, fangen Sie an, ins Museum zu gehen und hören Sie nur auf Ihr Herz. 


    Das war unsere Tour:

    Museumsinsel Hombroich

    Düsseldorf K20 und K21, Kunst im Tunnel

    Duisburg,  Lehmbruck Museum und MKM Küppersmühle

    Essen, Museum Folkwang

    Wuppertal, Skulpturenpark Waldfrieden


    Nach dieser Tour ging es mir dann deutlich besser. Und prompt wieder ein Absturz. Zum **grrr***. Im Therapiegespräch dann die Erkenntnis, daß das Mißbrauchstrauma nach vorne drängt. Jetzt, wo ich für den Ukraine-Krieg einen Umgang gefunden habe, bricht es raus und will bearbeitet werden. Danke für nichts. Danke für keine Ruhepause. Nee, nee, nee…


    Nach zwei Jahren Corona- und Trauma-bedingter Einschränkungen konnte ich endlich wieder meine komplette Familie besuchen. Was für eine Freude, endlich wieder meine Lieben in den Armen zu halten. 


    Und jetzt habe ich noch 14 Tage private Reha hinter mir und bin dort mit Yoga angefangen. Etwas, wofür ich nie „Zeit“ hatte. Wer Yoga schon macht, den muß ich nicht begeistern. Aber… für meine Depression eine ganz neue Möglichkeit, der Krankheit beizukommen. 


    Und endlich kann ich wieder schreiben. Also… ich bin wieder auf dem Weg…



  • 2022 April/Mai

    Keine Einträge


    Der Ukraine-Krieg macht mich handlungsunfähig, Schreibblockade.

  • 2022 Januar/März

    15.03.2022


    Ukraine. Im Moment geht gar nichts. 

    Eigentlich will ich über die Erfahrungen in der Reha schreiben und die neuen Erkenntnisse in die Website einpflegen - aber nichts geht. Schockstarre.

    Weitergegebenes Kriegstrauma - bisher für mich fast ausschließlich eine Liste von Symptomen, von Verhaltensmustern, die ich für mich erkannt hatte. Einen Flashback konnte ich erkennen. Aber jetzt - jetzt ist sie da, die vererbte Angst, frisst mich auf, ich fühle mich dem Wahnsinn nah. Weitermachen, nicht denken weitermachen. 

    Mühsam versuche ich diese vererbten Gefühle wegzudrücken und mich auf die „normale“ Besorgnis einzupendeln, aber es brodelt im Untergrund.

    Wieder bin ich mitten im Hyperarousal, maximale Übererregung, jeder zusätzliche Streß birgt das Risiko, daß mein Wesen sich nur noch in den Tod flüchten kann. Ich kann nur das Nötigste machen, immer auf Pausen achten, warten, daß das die innere Unruhe abflacht, mich ins Bett legen, daß das Rauschen im Kopf aufhört.

    Nichts geht mehr. 

    Auf gar keinen Fall kann ich mich auf den Reha-Bericht einlassen, ich kann nicht noch die Auseinandersetzung mit dem sexuellen Mißbrauch er-tragen. Das muß warten.


    FYI: Das ist die Angst, die mich auffrisst. Das ist der Bombenangriff vom 10. Oktober 1943, von dem meine Mutter im Alter von 7 Jahren überrannt worden ist. Das ist ihr Trauma. 


    09.02.2022


    Vier schwarze, tiefschwarze Tage. Im Untergrund gärt es vor sich hin und dann kommt der Moment, wo du dich dem stellen mußt, dich auf die Bilder, die nach oben drängen, einlassen mußt. Mußt, wenn du irgendwann gesund werden willst. Schwere Stunden sind das. Und du (zumindest ich) bist dann einfach nicht gesellschaftsfähig. 


    Eine Freundin fragt, ob ich Zeit habe. Leider nein - Therapiearbeit. Eigentlich weiß sie Bescheid, weiß um die Themen, die Gegenstand der Traumatherapie sind. 

    Und dann haut sie eine WhatsApp raus - da kommst Du aus dem Kotzen nicht raus… Wenn jemand, der/die selbst depressionskrank war, Dir zur Aufmunterung einen Blödsinnstext schickt „…Ich bin optimistisch, sympathisch, fröhlich und vergnügt und das ist extrem ansteckend… Ich bin positiv.. ich habe angefangen positiv zu denken, glücklich zu sein…“ Und so weiter. Ich bin nicht einmal wütend, bin einfach nur fassungslos. 

    Sie war doch selbst in der Situation. Da fällt mir echt nichts mehr ein, außer: Distanz. Distanz könnte die Lösung sein. 



    30.01.2022


    Schon bald drei Wochen wieder zuhause. Erst einmal ankommen, das Nötigste regeln. Wieder in den Alltag eintauchen - und auf der Flucht. Auf der Flucht vor den Bildern, während meiner Meditation sehe ich sie aufmarschieren, in Reih und Glied stehen sie dort hinten und warten nur darauf, mich zu überrennen. 


    Die ersten Gespräche bei meiner ambulanten Therapeutin. Berichten, was in den langen Wochen der Reha passiert ist. Wo bin ich angekommen, wo stehe ich gerade.


    Es geht um Akzeptanz. Akzeptanz des Nicht-Vorstellbaren, des Un-Glaublichen, des Un-Erwarteten. Liest sich leicht, ist aber ein ganz schwieriger und schmerzhafter Prozess. Aber nur wenn ich akzeptieren kann, was ich noch kaum erinnere, kann die Verarbeitung beginnen, werden Bilder auf mich zukommen und das Puzzle vervollständigen. 

    Dann erst folgen Schmerz, Wut und Trauer und schlußendlich Integration. 

    IRRT (Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy) war der letzte erste Schritt, den ich in der Reha gegangen war. Das Wiedererleben belastender Bilder und assoziierter Emotionen des Traumas ist… ja… ambivalent. Sehr schwer, kaum zu ertragen und doch auch Erleichterung, daß eine weitere bruchstückhafte Erinnerung an Klarheit gewinnt.

    Am Ende geht es um Konfrontation und Entmachtung des Täters durch das aktuelle Ich und Versöhnung mit dem traumatisierten Ich und Kind-Ich. 

    (Quelle: irrt-deutschland.de)

    Was bleibt, und was mir sehr belastend nachhängt ist das letzte Bild, das ich aus der Sitzung mitgenommen habe: Ich weine in mich hinein, ich bin Innen, eine hermetisch in sich geschlossene silberne Kugel weint in sich hinein. Das ist der Totstellreflex, die Dissoziation, der Mißbrauch. „Draußen“ findet der Mißbrauch statt.


    Immer wenn ich zur Ruhe komme, ist dieses Bild da - und die tiefe Depression. Ich kann das Zappeln nicht zulassen - die stete, die ewige Erinnerung an den Mißbrauch, wild um sich strampeln wie ein Käfer auf dem Rücken. Und doch schlägt es durch, sobald ich Entspannung zulasse. Ich bin hektisch busy busy busy - auf der Flucht, nur nicht zur Ruhe kommen. Der Körper rächt sich, will nur noch schlafen. 

    Ach ja… und wenn mein Bewußtsein das Zappeln nicht zulassen will, findet das Brennen, das „Im-Feuer-Liegen-und-verbrenne“ da ist doch mehr Platz für diesen Schmerz, da mache macht er sich mal so richtig breit. Es ist echt zum Kotzen.


    Und heute dann keine Ausflüchte mehr. Ich habe mich eingelassen, habe in der Meditation Regeln aufgestellt und es zugelassen, daß die Bilder auf mich zugehen, eines nach dem anderen, immer nur eines, nur nicht zu viel. 

    „Komm, wir spielen Hoppe Reiter“. Ich will das nicht weiter ausführen, Sie können es sicher auch so vorstellen. 

    Und schon fange ich an zu zappeln - und muß die Meditation abbrechen.  


    31.12.2021/01.01.2022


    Das neue Jahr beginnt. Es geht mir so gut wie seit 2 Jahren nicht mehr. Gut, die Depression, die komplexe PTBS, ist immer noch da und wird mich weiter begleiten, aber auch Hoffnung. 

    Diese Akutphase des Hyperarousal scheint überwunden. 

    Es geht mir gut, weil ich endlich weiß, was es mit dieser Dissoziativen Bewegungsstörung auf sich hat. 


    Eine Dissoziative Bewegungsstörung der unteren Extremitäten ist ein bekanntes Symptom der Spätfolgen sexuellen Mißbrauchs in der der Kindheit. 

    Das, was ich 2018 auf der Depressionsstation erlebt habe, ist die Geschichte dieses Mißbrauchs. 

    Das erste Abwehren der Übergriffe, das Grauen und die Verzweiflung bei den ersten Übergriffen, das Lallen als die Sprachlosigkeit, das Nicht-Erzählen-Dürfen. Dann die fortgesetzten, endlosen Übergriffe, bis hin zu dem großen Anfall, bei dem ich brüllend im Bett lag und mich niemand halten konnte: Das war die körperliche Erinnerung an die Szene im 13. Lebensjahr: Der Mißbrauch erfolgte gemeinsam durch meinen Stiefvater und seinen Freund, nachdem man mich mit Whisky-Apfelsaft ruhig gestellt hatte. 


    Die Etablierung als Bewegungsstörung über den ganzen Körper ist Ausdruck des fortgesetzten Mißbrauchs, der ca. im 11 Lebensjahr begann und sich bis ins 18. Lebensjahr fortsetzte. Mit 18 bin ich irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes (nachts) „wach“ geworden und konnte mich endlich körperlich wehren.


    Seit dem Frühjahr 2018 begleitet mich dieses unkontrollierte, spastische Zucken der Beine und Arme und der Oberkörper, der im Liegen unkontrolliert hochschnellt, das alles ist ist der Versuch des Körpers, die sexuellen Übergriffe abzuwehren.

     

    Ich wiederhole mich: das habe ich 24 h am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Jeder Moment eine (Köper)Erinnerung an den Mißbrauch, die Verzweiflung, die Angst. Und jetzt muß ich lernen, damit umzugehen.

    Es hört sich schrecklich an und es ist in der Tat grausam. Und trotzdem geht es mir gut. Denn endlich gibt es eine Erklärung, und dann findet sich auch - hoffentlich - irgendwie - irgendwann - eine Lösung dafür. 

    Gibt es einen Weg, den Ausdruck des Mißbrauchs „abzuarbeiten“. Soll ich die Dissoziative Bewegungsstörung als Teil meines Selbst integrieren? Mache ich aus jedem Zucken ein Schlag, der das Monster trifft und es verletzt? Oder bete ich das Mantra runter „Ich bin hier, ich bin jetzt, das ist Vergangenheit“? Oder, oder, oder….


    Und ich werde aufhören, nach bildhaften Erinnerungen zu suchen. Die Szenen, an die ich mich erinnern kann, reichen mir. Bitte keine weiteren Bilder… ne, bloß nicht.

    Da ist so entsetzlich viel Schmerz und Verzweiflung, jedes einzelne Bild hebt die Emotionen in die Gegenwart. Grausam ist das.


    Und doch, es geht mir gut. Ich werde es nicht zulassen, daß mein Stiefvater, dieses A…., dieser W….., dieser Affena…, dieses widerwärtige Stück Sch…., mir weiter mein Leben versaut. Auf GAR KEINEN FALL. Schade, daß er seit 40 Jahren tot ist, sonst könnte ich ihm heute noch die Visage aufpolieren…GRRRRRR

     

    In diesem Sinne - mit Optimismus auf ins neue Jahr. 




  • 2021 Okt/Dezember

    23.12.2021

    Vorweg… Weihnachten in der Reha-Klinik. Nein, das ist nicht schlimm. Das war meine freie Entscheidung. Es war mir wichtiger, in die Klinik zu gehen und mich der Traumatherapie zu stellen, als weiter zu warten. So, also: 


    Jaaaaa, nun… einen Text über das, was in den letzten zwei Wochen passiert ist, habe ich geschrieben, verworfen, neu verfasst, wiederum verworfen, und wieder und wieder. Es ist noch zu nah, im Prozess. Vielleicht später, in der Nachbetrachtung, werde ich was dazu schreiben. 


    Es ist so, daß das Unvorstellbare, das Undenkbare, das „Das-kann-doch-nicht-sein“, doch passiert ist. Daß ich ihm, dem sexuellen Mißbrauch, ihm, meinem Stiefvater, auf die Schliche gekommen bin. Daß Erinnerungen aus dem Schatten getreten sind und ich mich dem stellen muß. Daß die Übergriffe nicht erst mit 18 begannen, sondern viele, viele Jahre früher der tatsächliche Mißbrauch begonnen und angedauert hat, bis daß ich irgendwann mit 18 im wahrsten Sinne des Wortes (nachts) „wach“ geworden bin und mich wehren konnte.

    Daß meine Mutter weggeguckt haben muß, bewußt oder unbewußt zur Mittäterin wurde, weil sie das Offen-Sichtliche nicht sehen wollte. 

    Daß mein Vater den Schmerz in meinen Augen gesehen hat und nicht nachgefragt hat. 


    Im Moment fühle ich einfach nur Nichts. Kein Schmerz, keine Wut, kein Entsetzen. Meine Emotionen sind taub. Einfach nur taub. 


    Ein Betreuungsgespräch. „… Manche Erinnerungen sind so schlimm, daß sie erst hochkommen, wenn man die Reife hat, sich ihnen zu stellen…“


    tbc



    05.12.2021


    Seit dem 17.11.21 endlich in der Reha-Klinik. Gut (oder schlecht): das Therapieangebot ist wegen Corona eingeschränkt. Aber alles ist besser als zuhause in der Traumastarre zu verharren. Viele Stunden psychologische Betreuung in der Woche und ein wenig Beiprogramm ist doch besser als nix. 


    Und dann: NELA - 

    Nimm es wahr.

    Erlaube es dir.

    Lass es ablaufen.

    Atme weiter.


    Erlaube es Dir. Das ist es. Das ist mein Hebel, um meine Welt aus den Angeln zu heben, meine Traumata anzugehen, aufzubrechen. Das ist es… 

    Erlaube es dir, zu sagen, daß das alles nicht in Ordnung war. Dass deine Seele tödlich verletzt ist, benenne das Geschehene, sag, wie es wirklich war. Was es mit dir gemacht hat, Weine, Schreie, Brülle, Schlag den Boxsack. 

    Erlaube es Dir. 


    Nach nunmehr zwei Wochen finde ich mich in kleinsten Schritten wieder. Und… naja. Da gibt es nicht nur das weitergegeben Kriegstrauma, sondern auch noch (selbst) erworbene Traumata. Vielen Dank auch!


    Tja, und da ist noch die Frage, was mit 13 Jahren passiert ist. Was soll ich sagen… meine Therapeutin sagt, da brauchen wir noch etwas, um an diese Frage zu gehen. Und doch, das erst Mal im Leben bin ich bereit, mich auf dieses Thema einzulassen.


    Dissoziative Amnesie ist ein sehr komplexes Thema. Ist mein blinder Fleck auch eine solche Amnesie? Für ein anderes Trauma habe ich das bereits erkannt.


    Erinnere mich an das Bild des Drachen, daß durch das Schweigen, das Nichtbeschreiben des Traumatisierten ein Tabubereich, ein „Scherenschnitt“ des Traumas sichtbar wird. Ich schreibe alle Erinnerungen auf, nenne es Aspekte/Symptome. So nimmt mein „Scherenschnitt“ Form an und gewinnt an Realität. Und doch… ich kann es mir einfach nicht vorstellen. 

    Die nächsten Therapieschritte hinsichtlich dieses Themas werden spannend, schmerzhaft, herausfordernd… Auf dann in die nächste Woche. 



    13.11.2021


    Letzten Montag der Anruf… ich werde nächste Woche in der Klinik aufgenommen. Mein Körper will sofort loslassen und unter der aufgestauten Last zusammenbrechen, aber ich bekomme es gerade noch hin.

    Die letzten Tage sind brutal. Ich fühle mich wie ein Dampfkessel - einen Lidschlag vor dem Bersten. Machen, irgendwas machen, nur nicht denken… 


    Dann Donnerstagmorgen. Der Wecker hatte schon geklingelt, nochmal Snoozetime genommen. Zwei Männer stehen an meinem Bett und wollen mich vergewaltigen. Es ist so real, so überaus brutal echt was ich sehe und fühle. Angst, Hilflosigkeit, ich kann mich nicht wehren, weil ich ihnen körperlich nicht gewachsen bin. Verzweifelung. 

    Der Wecker schellt. 


    Meine Erinnerung: Ich war 13 Jahre alt. Mein Stiefvater hat mich mitgenommen, er ist mit seinem besten Freund (und Puffkumpel) verabredet und nimmt mich mit in eine Bar. Sie bestellen für mich etwas zu trinken. Es ist Whisky, der mit Apfelsaft gestreckt ist, damit ich es trinke. Meine letzte Erinnerung ist der Geschmack von diesem Getränk, war lecker. Ein Bild noch von einem Tisch, wo das Glas steht, schummeriges Licht. Alles andere ist weg. Ich weiß nicht, was an dem Abend passiert ist. Mein blinder Fleck. 

    Bis heute kann ich keinen Whisky trinken. 


    Und dann waren da noch die Übergriffe, als ich bereits 18 Jahre alt war. Aber da konnte ich mich schon wehren. Während einer meiner stationären Aufenthalte lernte ich eine Kriminalkommissarin kennen, die mich darauf hinwies, daß es sehr unwahrscheinlich sei, daß die Übergriffe erst mit 18 begonnen hätten, das gäbe es eigentlich nicht. 


    Es gibt noch einige andere (mmhhh…. bedenkliche?!) Erinnerungen. Was mache ich jetzt mit diesen Puzzleteilen? Sie machen Übergriffe im Teenageralter nicht unwahrscheinlicher, eher das Gegenteil. Dieser Traum Donnerstagmorgen, war das gar kein hyperrealer Traum sondern ein Flashback? 


    Alles in mir sträubt sich gegen den Gedanken, daß mir das passiert sein soll. Aber ganz tief in mir drinnen bahnt sich eine Gewißheit einen Weg an die Oberfläche. Aber ich sträube mich. Ich will das nicht wahrhaben. Das darf nicht sein. Das kann nicht sein. 

    Warum eigentlich nicht? Weil ich es mir nicht vorstellen kann?!


    Hoffnung, daß sich im stationären Aufenthalt diese Erinnerung positiv auflöst. Bodenlose Angst, daß sich im stationären Aufenthalt diese Erinnerung als Mißbrauch auflöst. 



    01.11.2021


    Es bleibt eine Gratwanderung, der ständige Versuch, im Gleichgewicht zu bleiben, keine emotionalen Peaks oder Streß - ich welcher Form auch immer. Im Gleichgewicht bleiben, nicht über die Grenze fallen, die rote Linie, hinter der die suizidalen Gedanken sehnsuchtsvoll darauf warten, daß ich stolpere.

     

    Es bleibt eine Gratwanderung, wie weit kann ich mit meinem Partner reden, wie weit kann ich ihn informieren, ohne ihn mehr als unvermeidbar zu belasten. Ich habe das Glück, daß wir beide einen Weg gefunden haben, mit meiner Krankheit umzugehen, und daß ich einen Kreis von depressionskranken Freund*innen habe, bei denen ich in den ganz dunklen Stunden Beistand finde.

    Von Beginn an war es mir wichtig, dass mein Partner „ein Recht auf eine weitestgehend normale Beziehung“ hat, daß er sich frei bewegen kann und sich nicht in jedem Moment fragen muß, ob er mich alleine lassen kann. Das setzt aber auch einen offenen Umgang mit der Krankheit voraus, keine Geheimniskrämerei. 

    Irgendwann hat er mich mal gebeten, ich könne ihm alles sagen. Das habe ich aber gleich verneint. Das, was im Kopf eines Depressionskranken vorgeht, ist für Nichtbetroffene weder nachvollziehbar noch „aushaltbar“(!). Aber… es ist (für uns beide) hilfreich, wenn der Partner zumindest grob weiß, wie gut oder schlecht der Tag gerade ist. Und nur in wenigen Fällen, in sehr kritischen Momenten, habe ich ihm gesagt, daß es gerade sehr schwierig oder kritisch ist, und was ich vorhabe, um durch die Situation zu kommen. 

    Wenn ich z.B. wahrnehme, daß ich in der „Was soll das alles noch-Spirale“ abwärts rutsche, kann ich zu ihm gehen und dringlichst „einfordern“: „Du mußt JETZT, SOFORT mit mir reden!“ Er weiß, dann was los ist, läßt alles stehen und liegen und wir reden solange über Gott und die Welt, über alles mögliche… bis die Situation durchstanden ist. Wenn es schlimmer oder noch weit schlimmer ist, habe ich in der Therapie ein Maßnahmenprogramm erlernt, dass ich bis jetzt noch immer einsetzen konnte. Und dann gibt es diese Fähigkeit, die auf einmal aus dem Nichts aufgetaucht ist. Tiefsten seelischen Schmerz in Creativität zu transformieren, z.B. ganz aktuell meine Mottenmäuse. Erwachsen aus einem ganz, ganz kritischen Moment. Und jetzt… zaubern sie anderen Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Eine Freundin verkauft sie inzwischen zugunsten eines Tierheims.

    Es bleibt eine Gratwanderung…

     

    Auf Anraten meiner Psychotherapeutin hat mein Partner ein Beratungsgespräch bei einem (anderen) Psychotherapeuten über uns und meine Krankheit geführt. Es war sehr hilfreich - und schloß mit der Feststellung, daß wir beide eine für uns guten Umgang gefunden haben und mein Partner nicht übermäßig durch die Situation belastet ist.

    Ein solches Beratungsgespräch für Ihren Partner - Ihre Partnerin legen ich Ihnen dringend ans Herz. 

     

    Auch wenn Sie meinen Partner natürlich an erster Stelle bei den Danksagungen finden, hier noch mal ganz aktuell: Er ist die größtmögliche Unterstützung, die er sein kann und hat die Fähigkeit, mich in so manch schweren Augenblicken zum Lachen zu bringen und das tiefe Schwarz für einen Moment mit Licht zu füllen. Was mir das bedeutet, kann ich nicht in Worte fassen. 



    17.10.2021


    Zwischen den Welten leben. Sich selbst wieder finden, Puzzleteile zusammensetzen, sich an sich selbst erinnern.

    Nach dem ein (erstes?) Trauma in einem emotionalen Tsunami explodiert war, hatte ich im Frühsommer im Therapietagebuch festgehalten: „… surreal, irreal, aus der Zeit gefallen, ein anderes Universum - ich kenne die Menschen, aber erkenne sie nicht.“  

    Jetzt, nachdem die Krankenkasse die Reha bewilligt hat, finde ich langsam zurück in diese Welt, zu mir selbst. Rückblickend waren es fast 4 Monate, in denen ich mich verloren hatte, in das große Schweigen gefallen bin und alle 4, 5 Tage harte Suizidgedanken hatten. Bisher war es noch nie so kritisch. 

    Mit der erlösenden Bewilligung war ich wieder fähig, „meine Leute“ anzuschreiben, aus der Deckung zu gehen und wieder Kontakt aufzunehmen. Und Stück für Stück habe ich mich bei meinen Freund*Innen wieder gefunden. Telefonieren ist immer noch schwierig, kaum machbar, aber in der digitalen Welt gibt es ja andere Möglichkeiten… Ja - und einige konnte ich jetzt nach Corona-Einschränkungen endlich wieder persönlich sehen, welche Freude. 


    Und doch bleibt es schwierig. Das Trauma - eine riesige schwarzblaue Freakwave in meinem Nacken mit der Angst, in ihr zu ertrinken. Dieser Zustand des Hyperarousals, die Überregung, die niedrige Aggressionsschwelle - keine Reserven mehr. Jeder zusätzliche Streß, egal ob positiv oder negativ oder einfach nur der Alltag, kickt dich über die Grenze und wieder kommen lebensgefährliche Gedanken. 

    Alle in der Therapie gelernte Tricks und Kniffe nutzen, immer ein waches Auge auf sich selbst. Es gibt jetzt nur eine Aufgabe: Überleben bis zum Tag (irgendwann im Dezember), an dem ich in den Zug steige Richtung Reha-Klinik. Und dann sehen wir mal weiter.




  • 2021 Juli/September

    27.09.2021


    Hyperarousal - Reha-Antrag und ein Beinah-Flashback


    Hyperarousal heißt auch, du hast keine Streßreserven. Alles, was an (emotionaler) Belastung “oben drauf” kommt, bringt dich ans Limit. Und darüber hinaus. 


    Ich hatte eine Reha-Maßnahme bei meiner Krankenkasse beantragt. Eine telefonische Nachfrage durch die Sachbearbeiterin: Die Krankenkasse wäre nicht zuständig und sie leitet den Reha-Antrag an die DRV weiter (die den Antrag ablehnen würde, da ich EU-berentet bin).


    Und wieder die Erfahrung, wenn du nicht vorbereitet bist, dich nicht selbst informiert hast, was unter welchen Voraussetzungen deine Ansprüche sind, hast du verloren. Ich erkläre die Sachlage und verweise auf entsprechende Bewilligungsvoraussetzungen für eine medizinische Reha-Maßnahme. (Informationen zur medizinischen Rehabilitation finden Sie hier).


    Vielleicht einfach nur ärgerlich, wenn Du gesund bist. Aber mit dieser Krankheit folgt ein brutal gefährlicher, emotionaler Absturz. Letztendlich hatte ich den Reha-Antrag gestellt, weil ich mich in der Traumtherapie an einem Limit befinde, der eine stationäre Betreuung unbedingt erforderlich macht. Und nun die überwältigende Sorge, daß der Reha-Antrag nicht bewilligt wird und ich ins Widerspruchsverfahren muß, das treibt mich weit über die Grenze des Ertragbaren hinaus. 


    Mit Fug und Recht kann ich sagen, ich habe diese Zeit über-lebt.


    Ich will nicht tot sein.


    Die schlimmsten 14 Tage seit langem. So nah war ich noch nie dran, allem ein Ende zu setzen. Gedanken an einen Abschiedsbrief, nochmal die Familie anrufen… “ich wollte noch mal Deine Stimme hören”…


    Ich will nicht tot sein. 


    Das Mantra, das mich am leben hält.


    Ich will nicht tot sein.


    Dann der Anruf vor letzte Woche: Die Reha-Maßnahme wurde bewilligt. Totale Erleichterung, totale Erschöpfung. Schlafen, nur noch schlafen.


    An einem Nachmittag gleite ich im Wachwerden in eine Trance. Ein Flashback? Luftangriff auf Münster am 10. Oktober 1943. Die Stadt brennt. Die Hitze frisst sich in meinen Körper, den Körper meiner 8-jährigen Mutter. Das Brennen verschlingt mich, Flammen durchlaufen meinen Körper; Angst, Panik wollen mich auffressen. Juckreiz quält mich zusätzlich. Nur beinahe ein Flashback, denn ich schaffe es, die Situation umzudrehen und zu handeln, mich aktiv in der Situation zu bewegen. Hinsehen, ich kann mich einlassen, denn es ist nur eine Erinnerung. Es ist nicht jetzt, es war. Ich rede mit dem Kind, meiner 8-jährigen Mutter: Es ist vorbei, lange vorbei, Du bist jetzt sicher, es kann Dir nichts passieren. Es ist Deine Erinnerung, nicht meine. Ich gebe Dir die Erinnerung zurück. Sie gibt mir eine Emotion zurück: Sie musste hart werden, um nicht wahnsinnig zu werden. 


    Das haut mich um. Ist das so. War das wirklich so…?


    Ein Kreis schließt sich: Auch ich habe vor vielen Jahren eine Krise durchlebt, in der ich eine sehr schmerzhafte Entscheidung getroffen habe, weil ich der Überzeugung war (und bin), daß ich diese besondere Krise psychisch kein weiteres Mal überleben würde. 




    06.09.2021


    Traumatherapie - PTBS - Hyperarousal

    Das ist die freundliche Umschreibung, wenn dir ständig 500% Adrenalin durch die Venen strömen. Aggressives Verhalten... nun ja: einatmen, ausatmen, oooommm. Psychosomatische Symptome: Yep - noch mehr Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen...:


    Weitere typische Beschwerden sind Nervosität und Unruhe, Konzentrationsstörungen, erhöhte Wachsamkeit, Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit und Schlafstörungen. Die Ursache hierfür liegt darin, dass der Körper weiterhin eine Stressreaktion aufrecht erhält, obwohl faktisch gesehen keine Gefahr mehr besteht. Das sympathische Nervensystem bleibt aktiviert und versetzt den Organismus in ständige Alarmbereitschaft. 


    Die Übererregungssymptome sind für die Betroffenen nicht nur äußerst unangenehm, sondern stören auch das Funktionieren im Alltag. Dauerhafte Nervosität und Schlafstörungen werden als zermürbend empfunden, Konzentrationsstörungen erschweren die Erledigung alltäglicher Aufgaben. Viele Betroffene erleben sich zudem als überaus gereizt und ecken deshalb ständig mit ihren Mitmenschen an. 


    Quelle: DeGPT


    Zu­stand ei­nes an­haltend er­höh­ten Aktivierungs­niveaus (Arousal) des ZNS, auch als Ü­ber­er­regung be­zeichnet. Hypera­rousal äußert sich in ver­mehrter An­spannung mit Un­ruhe, Ein- und Durchschlafstörun­gen, Reiz­bar­keit, ag­gressivem Ver­halten (siehe Ag­gressi­on), Konzentrati­ons­störun­gen, ü­ber­mäßi­ger Wach­sam­keit, ge­steigerter Schreck­haftigkeit und psycho­somatischen Symptomen.


    Quelle: Pschyrembel.de


     

    01.09.2021


    Es bleibt schwierig. Die Wartezeit für die Klinik beträgt 3 - 4 Monate, vorausgesetzt die Krankenkasse bewilligt die Kostenübernahmen. Mal sehen... 


    Bloß nicht in die Trauma-Ecke schauen, ablenken, vergraben in der Auflösung des eingelagerten Haustandes. Zwischendurch mal ein vorsichtiges Nachfühlen - und zack - gleich wieder weg. Das Hinschauen ist nicht machbar, sofort explodieren die Emotionen. 


    Meine ganze Sammlung an Bildern, Skulpturen, Killefit ist wieder eingerichtet. Ein Glücksmoment. So starke Emotionen, daß sie die Depression überwinden. Aber auch die Momente, wo man nur ahnt, daß da eine Emotion ist, und mit Trauer hinnimmt, daß sie nicht gefühlt werden kann.


    Funktionieren, das was mach mich krank gemacht, einfach nur funktionieren, ist jetzt mein Anker. 


    17.07.2021


    Am 01. Juli 2021 hatte ich das zum ersten Mal einen intuitiven Impuls, ich könnte vielleicht doch wieder gesund werden. Nach fast 4 Jahren. Selbst wenn das Brennen, Jucken, Zappeln bliebe, damit würde sich ein Umgang finden. 


    Das war zutiefst bewegend und das erste Mal seit… ich weiß nicht wann, konnte ich weinen. Ein Geschenk für den Moment, wieder weinen zu können. Drei großartige Tage habe ich mich „ normal“ gefühlt. Und jeden Moment genossen, denn eines weißt du: Der nächste Absturz kommt bestimmt. 


    Und dann kam er…


    Traumatherapie. Eine Freundin hatte mich gewarnt: „Traumatherapie ist ein Horrortrip!“. Nach 8 Monaten Traumatherapie - auf der Suche nach dem Verdrängten, das die Seele krank macht - bin ich im Horror angekommen. Was in der Diagnose „Emotionaler Mißbrauch (in der Kindheit)“ benannt wird, hat mich eingeholt. Es ist ein emotionaler Tsunami, der die Seele hinterrücks und ohne Vorwarnung überrennt, dir die Luft zum Atmen nimmt. Schmerz, unglaublicher Schmerz, ufer- oder grenzenlos. Und nichts kannst du tun, außer nicht aufzugeben. 


    Es geht mir sehr schlecht, ich will nicht mehr leben, aber ich habe ja einen neuen Anker: Ich will nicht tot sein. 


    Die Welt um mich herum: surreal, irreal, ich bin aus der Zeit gefallen. Ein anderes Universum, ich kenne die Gesichter, aber erkenne die Menschen nicht. Nicht faßbare Lebensangst. Mein Partner ist mein Halt, mein Band, das mich in der Realität hält. 



    Gespräch mit meiner Therapeutin. Es gibt keine Heilung. Erst kommt die Wut, dann die Trauer, danach das Abwenden. Hinter der Wut steckt ein kaum zu bewältigender Berg an Emotionen, da kann ich nur unter stationärer Betreuung ran… 


    Ich suche jetzt eine Klinik mit traumatherapeutischer Betreuung. Vorstellig werden, hoffentlich angenommen werden und warten… 8 Wochen, 3 Monate, 6 Monate????  



  • 2021 Mai/Juni

    06.05.2021

    Kester Schlenz - „Ich bin bekloppt…“ - zitiert Matt Haig (Seite 33 ff):

    Ich wollte tot sein. Nein, das stimmt nicht ganz. Ich wollte nicht tot sein, ich wollte nur nicht am Leben sein.“

    Kester Schlenz ergänzt: Depressive wollen das Leben ohne Leben in sich einfach nicht mehr ertragen.

    ——

    Genau das ist es. Das ist der/mein Eingang in die gefährliche Spirale, an dessen Ende der Suizid so verlockend wird. Wenn das Nicht-Fühlen, die Nicht-Emotionen, die große Leere allen Raum in mir einnimmt. Die Erinnerung an Glück keine Emotion hat, dann will ich nicht mehr leben. 

    Und ich lebe noch, weil ich nicht tot sein will. 

    —-

    Kapitel 5 - In der Klappse - So ehrlich, so treffend, so auf den Punkt. Genau SO ist das. Die Erinnerungen ploppen hoch und ich weiß, warum sich alles in mir sträubt, wieder ins Krankenhaus zu gehen. Aber es wird passieren, von heute auf morgen wird es gar nicht mehr anders gehen…

    Wie sagt der Westfale in mir: Prost Mahlzeit! 


    —-


    Dieser Tage wollte mich das Grübeln wieder in Schatten legen und mit wütender Entschlossenheit habe ich diese Alphabet-Übung gestartet: Ahorn, Birke, Caschew, Douglasie… Weil hier und da eine Lücke war, habe ich nach einer Baumliste gesucht und fand diese hier. Witzig, es gibt einen Queensland-Flaschenbaum, einen Taschentuchbaum, einen Wunderbaum und noch manch anderes Fundstück. Nach dem Studium der Liste war die Grübelattacke überstanden. Geht doch!. 


    24.04.2021

    Nach 4 Jahren das erste Mal wieder die Kirschblüte in Frauenstein sehen. Wie wunderschön. Ich weiß, daß es wunderschön ist. Ich weiß, daß es mich glücklich macht. Aber fühlen kann ich es immer noch nicht.


    Mit Wehmut die Erinnerung an Landschaften wie lebende Bilder, Momente tiefer Verbundenheit mit der Natur und - Glück. 


    16.06.2021


    Seltsam. Alles ist irgendwie seltsam. „Weder Fisch noch Fleisch“. Im Unterbewusstsein scheinen Umbrüche zu passieren und die Sicherheit über mein Selbst ist abhandengekommen. 

    Nicht, daß ich unsicher wäre, aber … wer bin ich, was ist mein wirkliches Selbst?


    Seltsam.


    Kompensation - oder auch Flucht - in die Creativität und handwerkliches Arbeiten. Ich fürchte - ich hoffe, daß diese Umbrüche bald aufbrechen. Erschöpft herbeigesehnte Krise.


    Corona - nee, ich kann‘s nicht mehr hören. Habe mich aus der Berichterstattung total ausgeklinkt, das frißt mich sonst total auf.


    Hatte vor einigen Wochen einen ersten Impftermin - und mußte ihn morgens wegen eines Infekts absagten. Totalabsturz. Schwärzestes Schwarz. Ich kann so nicht weiterleben. Anker suchen, Panik, nicht aufgeben. Kämpfen um Kraft zum Weitermachen. Drei Wochen später dann endlich ein neuer Termin. Neue Hoffnung. 


    Das alles macht mich schweigsam - kein Platz mehr für Sozialkontakte. Ist das meine Depression oder nur Kraftlosigkeit. Ich bin so müüüüüde von allem.


Kirschblüte Frauenstein

Museumsinsel Hombroich

  • 2021 März/April

    24.03.2021

    So langsam wird’s wieder… zumindest mit der Erschöpfung. Nach dem ich endlich auf den Knopf „Website veröffentlichen“ geklickt hatte, bin ich nicht mehr aus dem Bett gekommen. Es ging gar nichts mehr. Drei Tage habe ich mich mit der Frage gequält, ob ich jetzt noch tiefer in die Depression gehe. Doch meine Therapeutin bewertet es anders: Mit der Aufarbeitung meiner Geschichte habe ich den Verdrängungsprozess gebrochen. Die Reaktion darauf (und die Mammutarbeit Website) sei totale körperliche und emotionale Erschöpfung. Ich solle einfach mal …. Nichts machen. Gar nichts. Morgens aufstehen und in den Tag hineinleben.


    Etwas, was ich mir mein ganzes Leben nicht gegönnt habe. Was ich überhaupt nicht konnte. Was meine Erziehung nicht zugelassen hat. Einfach mal Nichts tun. Muße. 


    Muße … was für ein unerwartet großartiges Gefühl. Alles, was ich über Achtsamkeit gelernt hatte, war schon wieder erfolgreich verdrängt. Wieder ständig auf der Flucht. „Hast Du nichts zu tun?“ hieß es Zuhause, wenn ich ein Buch las. 


    Jetzt, fünf Wochen später, wird’s so langsam wieder… 


    Eigenressourcen suchen und festhalten. 


    Jede Woche ein Gespräch Traumatherapie. Im Moment hat sich ein Fragenkomplex aufgetan, die freundlichste Formulierung dafür ist „Abgrund“.


    Eigenressourcen suchen und festhalten. 


    Und du stehst am Abgrund an dann kotzt dir auch noch der Lockdown vor die Füße...


    Nach dem letzten Therapiegespräch habe ich mich wieder in Ergotherapie geflüchtet... Bürorenovierung für eine Freundin. Fotos folgen.


    03/07.04.2021


    Was für eine Woche... Das letzte Gespräch Traumatherapie war vor 10 Tagen. Und es bleiben offene Fragen: Wie weit wäre meine Mutter gegangen? Mit den Schlägen. Mit dem Wegschauen. Du kennst die Antwort ganz genau. „Kinder habe ein sehr gutes Gefühl dafür, wie die Eltern reagieren würden.“ sagt die Therapeutin.


    Wenn wir uns nicht („bereitwillig“) für die Tracht Prügel gebückt hätten. Wohin hätte sie uns geprügelt. Bis zu welcher Grenze hätte sie die sexuellen Übergriffe des Stiefvaters „übersehen“, sie hatte sowie schon lästiges „Nachspiel“ der Tochter aufgetragen. 


    Meine Mutter - eine Frau aus der Generation „Zusammenbleiben um jeden Preis“. Auf jeden Fall hätte sie mir die Schuld gegeben. 


    Massive Aggressionszustände plagen mich. Hilfe bringt ein Gespräch mit einer meiner Fröhlichen Depris. Ich sollte brüllen, schreien, wild um mich schlagen, endlich die Wut auf meine Mutter zulassen. Ich kann es nicht. Wieder prallt die Wut an der Wand aus Mitleid ab. Wieder kann ich sie nicht zulassen. 

    WTF.


    Nachtrag 07.04.21


    Ich muß da noch was nachlegen... 


    Wenn Sie in Ihrer Kindheit und Jugend ähnliches erlebt haben, finden Sie es vielleicht normal, so wie ich es viele Jahre normal fand. Aber es ist weder normal noch richtig.


    Nein, es ist nicht in Ordnung, wenn Sie soviel Angst hatten, daß Sie sich vor Ihren Eltern oder Großeltern versteckt haben. Oder Sie sich nicht nach Haus getraut haben, weil Sie wußten, was Sie erwartete... Es ist nicht normal oder richtig, wenn ein Elternteil es hingenommen oder ignoriert hat, daß Sie „angefaßt“ wurden. 


    Und wenn Sie nicht darüber sprechen, wenn Sie nicht die Kraft finden, sich das alles einzugestehen, dann geben Sie mit großer Wahrscheinlichkeit Ihr Trauma, Ihr Verhaltensmuster an Ihre Kinder weiter.


    Und dann hält irgendwann Ihre Tochter, Ihr Sohn still und wehrt sich nicht. Dabei wünschen Sie sich vermutlich nichts mehr auf der Welt, als daß das Ihren Kinder erspart bleibt. Dann brechen Sie das Trauma! Wenn Sie nicht mit Ihren Eltern reden können oder möchten, oder sie sind zu alt oder schon tot, o.k. Man kann auch nicht mehr alles klären.


    Aber fassen Sie sich ein Herz und retten Ihre (erwachsenen) Kinder. Reden Sie, erzählen Sie, helfen Sie Ihren Kinder, nicht stillzuhalten, nicht auszuhalten, sondern sich zu wehren. 


    Ich selbst bedauere zutiefst, daß ich nicht mehr die Möglichkeit habe, mit meiner Mutter oder meinem Stiefvater darüber zu sprechen. Zum einen breche ich erst jetzt im Rahmen der Depressionstherapie meine Verdrängungsmechanismen auf, zum anderen war meine Mutter in ihren letzten Lebensjahren geistig nicht mehr so auf der Höhe, daß wir hätte reden können. Mein Stiefvater ist 1981 tödlich verunglückt. Man kann halt nicht mehr alles klären.


    Und für Diejenigen, die mich jetzt „Nestbeschmutzer“ nennen: Sie haben Probleme, die Sie mal unbedingt angehen sollten... 


    Eine Vertretung bei der Physiotherapie. Cranio-Sacral-Therapie. Ich hab‘s gegoogelt: Cranio ist in der Wirksamkeit sehr umstritten. Aber... mir hat‘s zunächst geholfen. Noch auf der Liege fliegen die Beine durch die Gegend. Der ganze Oberkörper wird von Blitzen hochgeworfen. Wellen gehen durch die Bauchdecke. Wir müssen nach einiger Zeit abbrechen, es wird zu heftig: Ich habe das Gefühl, daß gleich mein ganzer Körper auf einmal explodiert und ich von der Liege falle.


    Kurz: Ich war sowas von entspannt, daß das Zittern ungefiltert raus konnte. Das Problem an dieser massiven Entspannung: ich konnte mich nicht mehr auf den zitternden Beinen halten, habe dann nachmittags 5 Stunden im Bett gelegen, bis es wieder ging...


    Und wieder einmal wird mir bewußt, wie schlimm es eigentlich ist.

    WTF.


    17.04.2021


    Durch den Podcast Betreutes Fühlen - hier die Folge "So wirken Halluzinogene" - bin ich auf das Thema LSD und Psilocybin (Magic Mushrooms) in der Depressionstherapie gestoßen. Ich recherchiere noch dazu und werden das Thema in Kürze unter "Wissen" ergänzen. Vorab: 


    Das ZI Mannheim hat aktuell eine Psilocybin-Depressionsstudie gestartet. Sie richtet sich an Depressionskranke von 25-65 Jahren, bei denen andere Therapien nicht oder nicht mehr wirksam sind.


    ——-


    Traumatherapie. Schwierig. Endlich die Wut loslassen (zu können). Dahinter steht eine derartig starke Emotion, ich bin nicht sicher, ob ich das „zuhause“ durchleben kann. Tendenziell besser in einem geschützten Bereich unter therapeutischer Aufsicht. Gehe ich wieder ins Krankenhaus? Kann ich das Loslassen planen, oder muß ich einfach nur ein Umfeld schaffen, in dem das möglich ist?


    Schwierig.


    Ich habe den Ausgleich gesucht und endlich mal wieder Qi Gong gemacht, die 8 Brokate im wahrsten Sinne des Wortes durch“gestanden“. Doch das erreichte Gleichgewicht ist eine gegenläufige Welle zur aktuellen schweren Phase, fast nicht auszuhalten. Echt, was für ein Sch..., Qi Gong hat mir immer so gut getan und jetzt das. Es ist zum Heulen. 

    -----

    Mal wieder haben mich die Gespräche mit Frau Dr. Dimboui und Frau Dipl.-Psych. Grant gerettet. An dieser Stelle nochmal öffentlich: DANKE! Danke, daß Sie immer ein Ohr für mich haben. 

  • 2021 Februar

    01.02.2021


    Chaos im Kopf. Lockdown. Neue ICD-11. Website in Endphase. 


    Bin in aus dem Alltag geflüchtet in ein Ergotherapie-Projekt. Das entspannt ungemein - Entspannung läßt mich aber wie wild zappeln. Wilde Nacht gehabt - immer wieder wachgezuckt. 


    Von Trance zu Trance gerettet. 


    Was nen Sch....


    13.02.2021


    War am Dienstag zurück, Projekt abgeschlossen - siehe Ergotherapie. Total erledigt, aber positiv.


    Dieser Tage einen Talk zum Thema Corona gesehen. Kann ich mir nicht mehr antun. War wieder die halbe Nacht wach. 


    Dieser unerträgliche Politsprech, nur die nächste Wahl im Auge, nicht die Sachlage und die Menschen. 


    Am Donnerstag die letzten Texte für die Website fertiggeschrieben, müssen “nur noch eingepflegt werden. Was war das für eine Arbeit.


    Aber ich spüre auch eine große Erleichterung, daß das alles aus dem Kopf raus ist. Jetzt kann ich  bei mir selbst nachschlagen, was los war 😉


    Habe mit Hilfe meiner Therapeutin einen Kniff gefunden, mich für 10 Minuten an einen postiven Ort zu beamen. Sehr, sehr hilfreich. Das ist mein positiver Ort: Quellwiesenbiotop Reinbach. Ich habe ein paar Jahre in Goslar gearbeitet und dort diesen besonderen Ort gefunden. 


    15.02.2021


    Fertig, ich bin fertig mit der Seite. Alle Texte sind eingepflegt. Nix mehr zu sagen für den Moment. Nur noch ein redaktionelle Lesung, dann geht die Seite online.


    Leere im Kopf, alles ist raus, endlich raus. Ich bin total durcheinander.  


    17.02.2021.


    Online.


    21.02.2021


    Das gibt‘s doch gar nicht... jetzt ist dieses Projekt abgeschlossen und... ich schmiere total ab. Etwas, was ich bisher noch gar nicht hatte, ich komme überhaupt nicht hoch. Diese k.... sch... Krankheit macht mich wütend. Aber die Wut ist gut, das hält mich am Leben - heute.


    Dieser Tage hat sich wieder gezeigt, wie wichtig, wie unglaublich wichtig unser Depri-Netzwerk ist. Zwei ‚„ultimative“ Krisen haben wir untereinander und gemeinsam bewältigt. Für den Moment. Gebt einfach nicht auf...  

  • 2021 Januar

    02.01.2021

    Corona Test. Mit 48-h-Ergebnis.


    72 h später weiß ich, dass ich negativ getestet bin.

    120 h später weiß mein Partner, daß er negativ gestestet ist.

    Ich koche vor Wut. Da hast Du einen schwerkranken Partner zuhause und niemand kann dir sagen, ob es Corona ist oder nicht...


    Das kostet soviel Kraft, daß nichts mehr bleibt, um meine Schmerzen im Zaum zu halten. Zwei Höllentage...


    09.01.2021

    Habe wieder ein neues Medikament gegen die Schmerzen getestet. Gabapentin. Wieder zwei Höllentage, habe total neben mir gestanden, aus dem ständigen Oberflächenbrand sind 100.000 glühende 2 cm lange Nadeln geworden, die abwechselnd  mit  faustgroßen Lavabrocken meinen Juckreiz begleiten. Hölle... Immer die Tränen im Anschlag. ABER ICH LASSE MIR MEIN LEBEN NICHT KAPUTT MACHEN, AUCH WENN GERADE GAR NICHTS GEHT...

     

    16.01.2021

    Letzten Donnerstag Traumatherapie. Den Tag danach kann ich immer vergessen - da geht nix, aber auch gar nix.

    Irgendwas passiert in meinem Kopf, ohne daß ich es fassen kann. Versuche es jetzt mit einem “Werkzeug” aus der Schlaganfalltherapie: Wenn ich meine Therapietagebuch schreibe, stelle ich einen Spiegel so auf, daß ich meine linke Hand nicht sehe sondern die schreibende, rechte Hand. Angeblich kann man so womöglich (besser) auf die Prozesse in der rechten Hirnhälfte zugreifen.

    Oh ihr lieben Neurologen, werft nicht gleich Tomaten nach mir... so laienhaft habe ich es verstanden.


    Ich habe meine erste Panikattacke als Flashback einordnen können. Flashback auf eine Bombennacht. Ich habe im Sommer 2019 überhaupt nicht verstanden, was mit mir passiert ist. Jetzt verstehe ich das. Lautes Knallen in der Dunkelheit, immer wieder, ohne zu wissen, wo es herkommt. Der Horror: Wenn ich die Augen zumachte war da ein riesengroßer schwarzer Wirbel, der mich in sich aufsog, ohne daß ich eine Chance hatte, wegzukommen.


     ——


    Nicht wollen können. Der Spruch des Tages. Wenn ich es wieder nicht geschafft habe, einen Anruf zu erledigen, weil einfach alles zu viel ist...

    NIcht wollen können - eine der treffensten Umschreibungen die ich in den letzen Wochen gelesen habe.


    —-


    Das Land steht vor einer weiteren Verschärfung der Lockdown-Maßnahmen, daher aus gegebenen Anlaß:

    Fuck, Fuck, Fuck Corona


    28.01.2021

    Bleierne Zeit. Lockdown fressen Seele auf. Traumatherapie via Videocall - zwei Tage kostet mich das, jede Woche. Das schwarze Loch wartet hinter jeder Ecke, der Abgrund, der dich auf die andere Seite zieht. Letzt Woche war es wieder so weit... Wie soll das bloß weitergehen.


    Die Versuche zur Schmerztherapie erstmal drei Monate auf Eis gelegt. Ich bin einfach psychisch nicht stabil genug, um das auszuhalten. 


  • 2020 Dezember

    01.12.2020

    Wieder ein Höllentag. Nichts geht... das Vibrieren ist im Gesicht, es erstarrt zu einer Maske. Kann heute gar nichts machen, kann auch nicht ins Funktionieren flüchten. 

    Binge-Watching... sonst drehe ich durch.


    12.12.2020

    Tja… jetzt kommt er, der harte Lockdown. Wenn ich mir dieses Hick-Hack angucke, was die letzten Wochen stattgefunden hat. Für mich… alles nur ein Merkel-Nachfolge-Pokerspiel auf Kosten der Vernunft. 

    Habe mir ein Ziel gesetzt, um das Corona-Drama zu überleben. Habe letzte Woche eine fette Reise Anfang 2022 gebucht, wenn Corona bis dahin nicht im Griff ist, ist eh alles egal bzw. im A…


    Im Rahmen der Schmerztherapie habe ich in den letzten zwei Wochen zwei Medikamente ausgetestet. Celocoxib hat eine Menge Nebenwirkungen, ich habe gleich nach der ersten Tablette die erwischt, die Corona-Symptomen gleichen. Das war ein Samstagmorgen… Puh.

    Der nächste Versuch war Tilidin. Ja, das Hautbrennen war weg, dafür hat der Juckreiz gesagt: Endlich alles meins. Der Körper ein einziger Juckreiz, bis in die Augäpfel hinein. Ein Horrortrip. Stand kurz vorm Nervenzusammenbruch. Aber da gibt es was in mir, was mir ins Ohr gebrüllt hat: Die Krankheit wird nicht gewinnen… Ein Horrortrip echt, habe die restlichen Tabletten zurückgegeben.


    31.12.2020

    Seit Verlängerung Lockdown Schreibblockade. Shit. 

    Weihnachtszeit. Wir waren ganz still und ich habe drei Tage in mich hineingeschaut, Bestandsaufnahme. Innenansicht einer Depression. Innenansicht eines Traumas. Da ist nichts in mir. Nur Leere, tiefe schwarze Leere. Endlos. Unendlichkeit. Einfach nichts...


    Am 31.12. dann  hat mein Partner  von jetzt auf gleich Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, schlimmen Durchfall. Das Testcenter ist erst am 02.01. wieder auf.


    Na dann: Auf ein frohes neues und gesundes Jahr.


  • 2020 November

    07.11.2020

    Es ist nochmal gut gegangen... bin seit Montag zurück. Total erledigt. Ein Anruf - eine Psychotherapeutin gibt mir einen Termin, letzten Donnerstag Erstgespräch. Könnte was werden.

    HOFFNUNG.

    Und nächsten Mittwoch noch ein zweites Therapieangebot... 

    HOFFNUNG.

    Komme mit meiner Website nur schrittweise weiter, alles andere kostet so viel Kraft... 

    einfach weitermachen


    09.11.2020

    Heute Morgen mein Erstgespräch beim Schmerztherapeuten. Er hat sich fast ein ¾ Stunde Zeit genommen. Wow. Die Lösung sieht er in der Traumatherapie, aber er will mich begleiten und sehen, dass er mir irgendwie helfen kann. 

    Ob mir Fibromyalgie etwas sagt? Mal sehen, was nun daraus wird. 


    15.11.2020

    Hatte letzte Woche ein Erstgespräch bei einer weiteren Therapeutin. Diese arbeitet mit Psychoanalyse. Meine erste Erfahrung mit diesem Modell. Was soll ich sagen... besser nichts. Ich war so wütend, als ich daraus gekommen bin. Wenn Wörtern, die Situationen aus einem alten Leben beschreiben, auf die Goldwaage gelegt werden und auf Teufel komm raus interpretiert werden. Bevor man sich überhaupt meine Geschichte zu Ende angehört und sich einen ersten Eindruck von der aktuellen Situation gemacht hat. Belassen wir es dabei, sagen wir einfach mal: Das war nicht meins

    Ich muß aufpassen - die Arbeit an der Website zieht alle Kraft aus mir. 


    Es ist heute ein wunderschöner Spätherbsttag, zu warm, sicher. Ich habe heute Morgen versucht, den Tag einfach zu genießen, weder Website noch andere Ergo-Therapie. Aber... sofort war das schwarze Loch wieder, tiefes Schwarz, ich stehe am Rand und werde in die Unendlichkeit fallen.

    Also... flüchte ich mich ins funktionieren und nähe mal wieder Masken, noch ein wenig Feinschliff am Layout der Website... bloß nicht denken. 


    18.11.2020

    Pregabalin. Ein(e) Doktor*in hatte mir die aufgeschrieben gegen die Schmerzen bei einer Gürtelrose. Ich könne davon so viel nehmen wie ich wolle. Ein weiterer Arzt hatte sie mir als Start in die Schmerztherapie aufgeschrieben und wollte das Medikament eindosieren. Vor zwei Tagen war ich bei meiner Psychiaterin. Sie ist bald in Ohnmacht gefallen. Pregabalin = Lyrica. Ganz schlimmes Zeugs. Macht abhängig. Man sollte auf gar keinen Fall Fahrzeuge führen. Wenn was passiert - Mitschuld.

    Gestern habe ich Lyrica mal recherchiert. Das gibt‘s doch alles gar nicht... Ich platze mal wieder. Um jeden Sch... mußt Du dich selber kümmern. Ich rede gar nicht über Beipackzettel, aber z.B. über (nicht erfolgte) Aufklärungsgespräche zur Fahrtüchtigkeit und zum Abhängigkeitsrisiko, die bei Lyrica unbedingt erfolgen sollen!

    Ich bin total fassungslos... noch diese Woche ist das Kontrollgespräch beim Schmerztherapeuten. Mal sehen, was er dazu sagt...


    20.11.2020

    Hölle. Ich gehe heute Morgen durch die Hölle, stehe im Feuer, das Vibrieren ist unerträglich. Bin froh, wenn ich den Tag überlebe.


    November 2020

    Ich habe es vorher gewußt... sobald ich mit der Website beginne geht die Tür auf, hinter der das ganze Grauen verschlossen ist. Muß mich zwingen, tageweise Pause zu machen, um Abstand zu gewinnen und dem kreativen Prozess Raum zu geben. Die Layoutgestaltung hat viel Zeit gebraucht, aber jetzt, Ende November, geht‘s an die Texte.

    Ich habe einen Therapieplatz. Hört Ihr den Stein fallen… sprachlos vor Erleichterung.




  • 2020 Oktober

    06.10.2020

    Ich hatte ein erstes Gespräch beim Therapeuten. Seitdem kann ich nicht mehr funktionieren. Loslassen, sich auf Therapie einlassen. Die Tage sind schwierig. Schmerzen. Kein Moment ohne Schmerzen. Aber alles ist besser, als sich ins Funktionieren zu flüchten. 


    17.10.2020

    Die Fotos sind endlich fertig. Auf geht’s ins Web-Design. Was wird das emotional mit mir machen? Meine Geschichte wieder erzählen, die Tür aufmachen… 


    Und ich werde jetzt zum Schmerztherapeuten gehen. Bisher habe ich noch nichts gefunden, was hilft… selbst Novalgin nicht, hatte ich dieser Tage aus lauter Verzweiflung probiert, war nix.


    23.10.2020

    Vor zwei Tagen hatte ich meinen zweiten Termin beim Therapeuten. Er hat mir mitgeteilt, dass er meinen Fall nicht übernehmen kann, da er in meiner Thematik nicht ausreichend Erfahrung hat. Zwei Empfehlungen hat er für mich zur Hand – da war ich aber schon.

    Trotzdem, Danke für die Ehrlichkeit. Wie oft habe ich schon vermutet, dass ich nirgendwo unterkomme, weil das Thema so speziell ist.

    Emotional – eine Katastrophe. Ich berate mit meinem Partner das weitere Vorgehen und habe dann am Tag danach, gestern Morgen, nochmals einige Institute mit der verzweifelten Bitte um Hilfe angeschrieben. Ich brauche eine neue Survival-Strategie… funktionieren geht nimmer…


    Am frühen Abend ruft mich meine Nichte an. Meine schwerkranke „Zweit“Schwägerin liegt auf der Kippe… oh jeh.


    Bei mir geht heute nix… die Emotionen saugen mir die letzten Kräfte. Gottseidank habe ich schon die Bildbearbeitung für die Website fast fertig. Eigentlich wollte ich das heute abschließen und mich auf die Texte vorbereiten. Das wird wohl nix.


    28.10.2020

    Bin auf dem Weg zu meinem Zwillingsbruder. Seine Frau ist schwer krank und liegt „auf der Kippe“. Er hatte gesagt, er meldet sich, wenn es ernst wird. Vor zwei Tagen kam abends die WhatsApp, gestern alle Termine für die nächsten zwei Wochen umarrangiert, ich bin auf dem Weg…

    Das Leben hat ne Eisenfaust (aus Alexander Feser: Das Gold von Morgen).



  • 2020 September

    24.09.2020

    Horror. Auf der Suche nach einem Therapeuten. Jedes Fachgespräch heißt, die Tür zur Hölle zu öffnen. Das kostet mich jedes mal drei Tage meines Lebens, bis ich das Gespräch überwunden habe. Ich laufe ganz dicht an der roten Grenze, immer mit einem Bein auf der anderen Seite, eine gepackte Tasche bereit für die Notfall-Selbsteinweisung.

    Endlich ein Hoffnungsschimmer… ein Fachgespräch beim FPI Frankfurt. Und… endlich ein Therapeut, der kurzfristig einen Termin frei hat. Nächste Woche das erste Gespräch… Hoffnung.



  • 2020 August

    August 2020

    Das, was mich krank gemacht hat, hält mich jetzt am Leben. Ich sperre meine Krankheit weg und funktioniere. Ich laufe ganz hart am Limit (Limit – das ist der Jordan, der die Lebenden von den Toten trennt).


    Ich kann nicht mehr. Telefoniere der Traumambulanz Goethe-Universität Frankfurt und Uniklinik Heidelberg hinterher.

    Sehr langes Telefonat mit Goethe-Uni  (siehe unten… kostet mich 3 Tage). Um dann drei Tage später eine schriftliche Absage zu bekommen. In der Traumambulanz Uni Heidelberg kann ich zwei Tage später vorstellig werden. Mir geht es so schlecht, dass ich eine gepackte Tasche mitnehme, für den Fall der Fälle. Ein Supergespräch, ein Superbericht. Das Angebot einer ambulanten Therapie in Heidelberg kann ich nicht annehmen. Das heißt 2 h mit der Bahn hin, Therapie, 2 h mit der Bahn zurück. Zwei Tage später ruft mit die Uni Heidelberg an und empfiehlt mir die Ambulanz Traumatherapie Horst-Schmidt-Kliniken Wiesbaden. Ich erreiche direkt jemanden telefonisch. Man nimmt ausschließlich Patienten aus Wiesbaden auf. 

    Ich habe jetzt immer eine gepackte Tasche hier stehen. Für eine “Notfall-Eigen-Einweisung”.


    21.08.2020

    Vor drei Tagen Fototermin im Profi-Studio. Ich will für meine Website Fotos haben. Meine Geschichte – Mein Gesicht – Keine Symbolbilder, Authentizität. Die Depressionsfotos haben wir am Ende der Session gemacht. Depressionsfotos machen heißt, sich öffnen und das Schwarz zulassen. So langsam habe ich mich wieder eingefangen, hat mich drei Tage gekostet. 


    30.08.2020

    Meine Krankheit ist so schlimm, es geht mir so schon lange so schlecht, dass ich schon lange nicht mehr bereit bin, aus (falscher) Höflichkeit oder Rücksichtnahme die “Klappe zu halten”. Wo andere Depressionskranke sich zurückziehen, weil sie es einfach nicht mehr können, mache ich den Mund auf, erklärend, erläuternd, brüllend. Und ich lasse irgendwelchen Bullshit über Depressionen, der mir von Nicht-Erkrankten erzählt wird, nicht mehr unkommentiert im Raum stehen. Heute Nacht habe ich dazu auf Facebook gepostet. 

    Irgendjemand meinte zu mir, es wäre nicht gut, Leute über dieses Forum zu beleidigen. WTF. Ich habe niemanden beleidigt. Deren Äußerungen beleidigen jeden Depressionskranken. Und… siehe oben. 





  • 2020 Juli

    12.07.2020

    Es geht los… Seit Februar gärt der Gedanke in mir, eine Website aufzumachen. Hallo? Ist da jemand? Jemand der mir, der uns helfen kann? Lasst uns unser Wissen sammeln!!

    Dann dieser verdammte Corona-Lockdown. Man/Frau muß gar nicht erst psychisch krank sein, um damit nicht fertig zu werden. Nach dem Lockdown… erst mal wieder in der Realität ankommen. Und da ist sie nun – brutal wie immer.

    Seit Nov 2019 suche ich einen Therapieplatz – wieder nichts. Selbst meine Krankenkasse kann mir keinen Platz organisieren. Aber Selbstzahler – da wäre sofort was zu machen. Klar… Es kotzt mich an. Vor zwei Tagen saß ich wieder da und wußte nicht weiter. Wo soll die Kraft herkommen, um weiter zu machen…Da war es wieder, dieses schwarze Loch, dass dich in den Tod zieht.  


    13.07.2020

    Habe gestern noch einen Hilfeschrei rausgeschickt, an die Goethe Uni Frankfurt und Uni Heidelberg. Und ein Institut für Traumbearbeitung. Immerhin – dort kann ich in einer offenen Sprechstunde vorstellig werden. 


    Juli 2020

    Krise.

    Ich habe mir echt die Finger wund geschrieben und Ohren abtelefoniert. Kein Therapieplatz, nur Wartelisten. Die Terminvermittlungsstelle der Kassenärztliche Vereinigung 116117 verschafft mir einen Notfalltermin (!) in 4 (in Worten: vier) Wochen. Als Kassenpatient nur Wartelisten… Als Selbstzahler (150,— € +/- pro Stunde kann ich SOFORT einen Therapieplatz bekommen). Ein Therapeut macht mich darauf aufmerksam, dass die es Kostenübernahmeverfahren gibt (§13 Absatz 3 SGB V).

    Ich rufe bei meiner Krankenkasse an und rede mit Frau A. Eine Möglichkeit der Kostenerstattung gäbe es nicht, klärt sie mich auf. Das kann nicht sein, sage ich und verweise auf o.g. Paragraphen. Ja, das wäre aber schwierig, sagt sie. Sage mal, wollen die mich verar……? Ich lege meine Situation dar, es geht ein bißchen hin und her und dann lade ich Frau A. zu meiner Beerdigung ein. Das könne ich doch so nicht sagen. Doch das kann ich, Frau A., denn darüber reden wir hier. 


    Juli/August 2020

    Krise.

    Bei jedem Telefonat, bei jedem Gespräch muß man ein Stück die Tür zum schwarzen Loch aufmachen. Das kostet viel Kraft. Jedes Gespräch kostet mich drei Tage, bis ich wieder halbwegs obenauf bin. Und immer umsonst, Absage um Absage.

    Ich rufe die Krankenkasse an, schildere meine Situation. Werde zurückgerufen. Und muß sagen… sie haben sich bemüht. Meine Krankenkasse hat über 40 regionale Praxen angeschrieben und… 3 Plätze Warteliste ergattert, frühesten im Oktober könnte ein Platz frei werden.

    Krise