08.01.2024
Dezember 2023
…Dennoch bin ich mit der Traumatherapie nicht wirklich weitergekommen.
Oder vielleicht doch?
In den letzten 3 Monaten ist dann endlich auch wieder im Bereich
Traumatherapie etwas passiert, aber das beim nächsten Mal. Und
wie entsetzlich schlimm die aktuelle Weltlage für ein weitergegebenes
Kriegstraum ist… auch beim nächsten Mal.
Also dann..
Aber es ist ja nicht so, daß dein Schmerz sagt: O.k., ich mache jetzt mal Pause. Nein, er gärt so vor sich hin, brodelt im Untergrund, schaut mal um die Ecke, ob da Platz für ihn ist. Und ja, es finden sich immer Momente, in denen er plötzlich und unerwartet schreit: Hallo, da bin ich wieder.
Das Unterbewußtsein ist ein knochharter Freund, der dir immer das zumutet, was gerade eben noch geht. Und somit für mich sicher die wichtigste Erkenntnis im letzten Jahr - und ein großer Anker, daß das Unterbewußtsein dir dann den Schmerz „um die Ohren haut“, wenn es dir gut geht. Es schaut ganz genau hin, was dann geht und kostet diese Grenze aus, maximal aus.
Da war dann z.B. der eine Freitag, an dem der Verrat, daß Verlassensein in mir explodiert ist. Daß meine Mutter damals nachts in mein Zimmer gekommen ist, sieht, was mein Stiefvater dort macht, fragt: „Was ist denn hier los?“ und geht. Das, was ich damals nicht fühlen durfte, um überleben zu können, explodiert an einem Freitag im September in meiner Seele. Grausam, brutal, nicht auszuhaltender Schmerz. Fast 10 Stunden in … Agonie, hilflos in ausweglosem Grauen gefangen. Mühsam und quälend langsam den Weg zurück finden aus der Vergangenheit in das Hier und Jetzt. Beide Welten parallel erleben - aus der Zeit gefallen, surreale Momente, hier, jetzt, gestern, heute, damals, 1966, 1972, 1975, 1981 - alles da, alles gleichzeitig. Ein Zeitensturm.
Am Abend war ich wieder zurück. War ich wieder in der Gegenwart. Und hatte ein Stück des schwarzen Tsunamis abgearbeitet. Einen Tropfen? Einen Eimer? Eine Welle? Ich weiß es nicht, ich hoffe inständig, daß es eine Welle war, und nicht nur ein Tropfen. So unglaublich der Schmerz…
Und dann war noch der 7. Oktober 2023. Der Überfall der Hamas im Gaza-Streifen. Mein Kriegstrauma tanzt eine wilde Party.
Ich komme aus dem … Kotzen … gar nicht mehr raus und könnte nur noch brüllen. Möchte all diese alten gestörten Männer von der Erdkugel fegen… Maßlose Wut, (geerbte) panische Todesangst, mein schwarzer Tsunami jagt mich durch die Tage. Wie ein Ping-Pong-Ball von einem Schmerz zum nächsten. Wut - Panik -Angst… Warum überhaupt noch aufstehen…
Hatte ich doch gerade wieder angefangen, ein wenig in der täglichen Presse zu schauen, was so auf dieser Welt los ist, geht jetzt wieder nichts. Gar nichts. Ich ertrage es einfach nicht. Aber man kommt natürlich nicht daran vorbei, irgendwas bekommt man immer mit. Auch einen Pistorius, der dringend warnt, wir müssten wieder wehrtüchtig werden. Und du stimmst ihm zu. Deine pazifistische Seele schreit und brüllt vor Verzweifelung, doch du stimmst ihm zu.
Das alte Jahr - endlich hatte ich Anfang Dezember wieder schreiben können, einen Eintrag veröffentlicht, der so endete:
Ich werde ihm (meinem Partner) noch weiter beistehen, bis … ? Ich mach keine Pläne,
ich schauen, was das Leben mir bringt, es wird‘s richten, ich bin vorbereitet.
Und ich bin so neugierig, was mir das Leben noch schenken wird.
Das neue Jahr. Der 04. Januar 2024. Mein Partner steht vor mir. Krebs. Lymphom, weit fortgeschritten. Es ist abzuklären welche Variante - böse oder ganz böse. Die 5-Jahres-Überlebens-Chancen stehen je nach Variante ungefähr zwischen 75:25 bzw. 60:40.
Willkommen Leben.
04.12.2023
Ein Kalenderblatt…: Das Jahr in drei Worten: Bitte nicht nochmal.
Was für ein Jahr… 5 Monate konnte ich nicht schreiben, ausschließlich mein Hyperarousal in Schach halten, jeden Mittag 2 h ins Bett und nachmittags bis in die Dämmerung am Rhein sitzen und wieder ins Gleichgewicht finden. 5, 6, 7 Stunden am Tag das Streßlevel im Zaum halten. Und in creatives Arbeiten flüchten… Ende September wurde es besser und im Moment scheint die aktuelle Krise überwunden (siehe unten).
Das Problem mit dem Streß: Hyperarousal - ständige Übererregung. Wenn dann noch Streß oben drauf kommt, besteht das Risiko, daß der Körper in den EXIT(us) flüchten will. Also muß man als Betroffene mit großer Achtsamkeit die Anspannung eindämmen. Gott sei Dank bin ich gegenüber einer Überstreß-Reaktion höchst sensibel, kann sie rechtzeitig erkennen, als solche einordnen und damit umgehen.
…. Das Gleichgewicht finden, das Rauschen aus den Ohren kriegen, absolute äußere Ruhe, bis innere Stille eingekehrt ist: Am Rhein sitzen, aufs Wasser schauen, seit Ewigkeiten fließt er dahin und wird noch Ewigkeiten weiterfließen. Unser Leben ist nur ein Tropfen im endlosen Fluß.
Und für mich das James-Webb-Teleskop mit seinen faszinierenden Bildern, z.B. die „Säulen der Schöpfung“, wir sind alle nur Sternenstaub.
Mir das bewußt zu machen, hilft. Alles ist auf einmal so… klein.
Dieses Bild finden Sie auf der Seite der
esa. Weitere Informationen (Video):
Tour the Webb Telescope‘s Pillars of Creation
arte: Das James-Webb-Teleskop - Erste Erkenntnisse

So, also dann: Das Jahr in drei Worten: Bitte nicht nochmal
Genau. Genau so und nicht anders. Oder vielleicht doch… Alles im Umbruch. Aber lassen Sie mich mit den guten Dingen beginnen:
Dass die Erfahrung mir sagt: Jede Krise in meinem Leben hat schlußendlich zu einer Verbesserung geführt. Erfahrungen, Erkenntnis, die mir Kraft und Halt, aber auch Optimismus geben. Zu dem, was dieses Jahr zu einem sehr reichen, positiven Jahr macht, gehören neue Menschen in meinem Umfeld, die mein Leben bereichern und mich mit wunderbaren Momenten, tiefgründigen Gesprächen und mit aufrichtiger Zuneigung und Wertschätzung beschenkt haben. Stellvertretend für noch einige andere möchte ich hier die wunderbare Gülli und ihre Schwester, die ganz zauberhaften Donato, Salim und Hakim, ja und diesen ganz besonderen Mensch Markus nennen.
Aber auch die stete Zuverlässigkeit und der Beistand von Herzensfreunden, ja und auch unglaublich intensive Momente von Wertschätzung und Zuneigung mit meiner Familie.
Ja. So dann doch ein großartiges Jahr. Wo sich die ein oder andere Tür schließt, springen andere auf. Tatsächlich.
Dennoch bin ich mit der Traumatherapie nicht wirklich weitergekommen. Oder vielleicht doch? Andere Dinge haben sich davor geschoben.
In den letzten 8 Wochen ist dann endlich auch wieder im Bereich Traumatherapie etwas passiert, aber das beim nächsten Mal. Und wie entsetzlich schlimm die aktuelle Weltlage für ein weitergegebenes Kriegstraum ist… auch beim nächsten Mal.
… Türen schließen sich. Vielleicht stehen sie noch ein Spalt offen und das Scharnier muß nur geölt werden. Ich weiß es noch nicht, aber ich mache keine Pläne, alles wird sich finden, so oder … so.
Da ist die liebe Freundin, die sich in einer toxischen Beziehung verloren hat. Manchmal ist sie noch da, selten. Nicht abends, über Tag, auf einen Kaffee. Damit er es nicht mitbekommt? Ich weiß es nicht.
Dieses Thema muß ich auch nicht auflösen. Vielleicht kommt sie irgendwann „zurück“. Bleibt abzuwarten, ob es dann noch einen Basis für eine tiefe Freundschaft gibt. Im Moment fühlt es sich eher an, als seien wir - die Handvoll Freunde, die wir ihr in den letzten Jahren in allen Krisen beigestanden haben, „weggeworfen“ worden.
Es gibt ein anderes Thema: mein Partner. Letzes Jahr um den Jahreswechsel stand er vor mir: Er wäre physisch und psychisch am absoluten Nullpunkt (nichts, was ich nicht längst wahrgenommen hätte). Hat er daraus Konsequenzen gezogen? Nein, nicht wirklich. Er hat sich zumindest um einen Klinikaufenthalt bemüht, aber den Kopf eingezogen, als der nicht bewilligt wurde. Obwohl er doch aus meiner Geschichte wissen kann, daß man immer wieder um medizinische Maßnahmen kämpfen muß, obwohl sie einem zustehen.
Im Sommer dann ein kurze Auszeit, eine Burn-Out-Prävention, aber bis dahin hatte er unsere Beziehung schon weitestgehend vernichtet.
Vernichtet? Ja. Irgendwo muß seine Überforderung hin, irgendwo müssen die Emotionen hin, und wenn du mit dem Rücken an der Wand stehst, fängst du an, (verbal) wild um dich zu schlagen. Im beruflichen Umfeld eines Oberstudienrates, der überwiegend in der Lehrerausbildung tätig ist, tja, findet das Wild-um-sich-Schlagen im Privaten statt. Es geht hier nicht um körperliche Gewalt, sondern verbale Überschreitungen und emotionale Verletzungen. Und doch, es gab auch eine Situation, wo man über körperliche Gewalt diskutieren muss.
Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen. Ich bin fest davon überzeugt, daß er in einer Depression ist, er sieht das natürlich anders, spricht mir gleich Kompetenz im Bereich Depressionen ab.
Bis Mai haben wir uns sehr viel gestritten, ich habe mir diese verbalen Entgleisungen nicht bieten lassen. Aber irgendwann mußte ich mir eingestehen, daß es sinnlos ist, darüber zu diskutieren.
Der Moment, wo ich das begriffen habe: Als er mir Anfang Mai sagte, ich sei Schuld, daß er nicht abnimmt, weil ich immer Essen gehen will. Sie lachen? Nicht witzig, es war sein voller Ernst.
An der Stelle habe ich begonnen, emotionale Distanz zu schaffen und mit dem Diskutieren aufgehört. Da kann nichts auf der Sachebene gelöst werden.
Gerade vor ein paar Tagen habe ich von einer Ärztin gehört, daß es typisch sei, andere verantwortlich zu machen, wenn man nicht bereit oder willens ist, sich mit sich selbst und seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Und genau das passiert in einer Therapie. Sich einzugestehen, daß etwas mit mir nicht in Ordnung ist, wäre der erste Schritt. Aber es erfordert großen Mut, sich seiner Geschichte und dem Schmerz zu stellen. Da ist einfacher, bequemer, schmerzfrei anderen die Verantwortung für das zu geben, was gerade im eigenen Leben nicht richtig läuft.
Nun, jeder Betroffenen muß seinen ganz persönlichen Weg finden, mit einer Depression bzw. PTBS umzugehen. Meine Art und Weise ist recht unkonventionell und total offen.
Man kann aber auch alles einfach falsch machen…
Als vor Jahren die Situation mit meiner Stiefmutter und ihrer Demenz sehr schwierig wurde, sagte mir die Pflegedienstleistung: Die Antwort auf alles ist Liebe. Sie können mit ihrer Mutter nicht mehr diskutieren, nichts mehr klären. Sie können sie nur noch in den Arm nehmen.
Und genau so mache ich jetzt weiter: Die Antwort auf alles ist (Menschen)Liebe. Wenn es ihm schlecht geht, nehme ich ihn den Arm und gehe. Wenn es ihm gut geht, lachen wir zusammen. Aber wir haben keine Themen mehr. Dieser reflektierte, gebildete Mensch, mit dem ich über alles mögliche reden und lachen konnte, ist verloren gegangen. Intensive und respektvolle Auseinandersetzungen über alle möglichen Thema sind nicht mehr möglich. Es geht nur noch darum, daß er recht hat und ich… keine Ahnung habe, Schuld habe, im Unrecht bin.
Und da ich mich diesen Gespräche verweigere, eskaliert er an anderer Stelle seine Emotionen in unerträglich geifernden Ergüssen zu allen möglichen Themen.
Dieser Mann, zu dem ich dieses Urvertrauen hatte, daß er mich niemals willentlich absichtlich verletzten würde, tut jetzt genau das. Unglaubliche Beleidigungen habe ich erfahren. Eigentlich unentschuldbar und nein, auch emotionale Not ist keine Entschuldigung. Wenn er sich denn überhaupt nur einmal entschuldigen würde.
Wenn es dann wieder mal passiert, drehe ich mich um und gehe. Inzwischen hat sich für mich vieles beruhigt, es erreicht mich einfach nicht mehr.
Bitter habe ich akzeptiert, daß ich ihm nicht mehr vertrauen kann. Das hat er nachhaltig zerstört, dabei ist doch Vertrauen die vielleicht wichtigste Basis einer Beziehung. Und, je mehr ich mich zurückgezogen haben, um so mehr bemüht er sich um mich. Zugewandt und liebevoll, um bei nächster Gelegenheit wieder zu beleidigen, durchaus subtil, und zu verletzen.
Aber ich kann ihm nicht mehr vertrauen. Der Alltag jedoch ist relativ leise und entspannt.
Warum ich noch da bin? Ja… es hat Gründe. Ich hatte in ihm einen ganz wunderbaren Partner, der mich über Jahre in meiner Krankheit bedingungslos unterstützt hat, und habe ihn nun an eben diese Krankheit verloren.
Nochmal: Es erklärt sein Verhalten, aber entschuldigt es nicht!
Es hat noch einen anderen, interessanten Aspekt. Eines meiner Themen ist die Wertschätzung, die ich als Kind und Erwachsene eben nicht durch meine Mutter erfahren habe. Und jetzt befinde ich mich in einer Situation, wo mein Partner genau das triggert, ich aber andererseits aus meinem sozialen Umfeld größte Wertschätzung erfahre. Insofern hat die Auseinandersetzung mit meinem Partner wichtige traumatherapeutische Aspekte, die es aufzuarbeiten gilt.
Ich werde ihm noch weiter beistehen, bis … ? Ich mach keine Pläne, ich schauen, was das Leben mir bringt, es wird‘s richten, ich bin vorbereitet. Und ich bin so neugierig, was mir das Leben noch schenken wird.
10.07.2023
Endlich, nach 10 Wochen konnte ich wieder an den „Mutter“-Text. Traumatherapie kann man halt nicht prozessoptimiert abarbeiten, Traumatherapie braucht Zeit.
Und immer wieder an den Skills arbeiten, um die wild explodierenden Emotionen einzufangen und den Alltag zu bestehen. Über den Metall-Igelball, um unerträglichen seelischen Schmerz mit verletzungsfreiem, körperlichem Schmerz aufzufangen, über Riechreize, creatives Gestalten bis hin zu fast täglichem Yoga, um einmal am Tag in den Ausgleich zu kommen.
Also: hier finden Sie Mutter - Teil 1.
Es wird weitergehen… Aber was jetzt kommt, was das Trauma meiner Mutter mit mir gemacht hat, ist nochmal eine Tour de Force. Bitte haben Sie Geduld.
Und das absolut nervigste ist, daß die emotionale Erschöpfung mich fast jeden Mittag zwei Stunden ins Bett wirft. Nochmal zwei gestohlene Stunden in meinem Leben… täglich.
Boah ey… das kotzt mich an!!!!
Weitermachen, einfach weitermachen….
09.06.2023/21.06.2023
Seit Wochen drücke ich mich vor dieser Einlassung. Aber es ist doch so gravierend, daß ich mich entschieden habe, es doch zu veröffentlichen.
Um in diesem Spannungsfeld komplexe PTBS/Depression zu (über)leben braucht‘s ein Sicherheitsnetz. Ganz essentiell sind der/die Partner/in und Freunde. Und zwei der wichtigsten Menschen sind mir weggebrochen.
Wie viele andere auch, haben die Ereignisse der letzten Jahre (Corona, Ukraine-Krieg u.a.) meinen Partner vermutlich in eine Depression getrieben. Er war meine größte Hilfe und Unterstützung - und nun ist diese weggebrochen. Es ist zumindest eine Erschöpfungs-Depression diagnostiziert und - er tut nichts. Doch etwas macht er schon:
Er steht in seiner körperlichen und emotionalen Erschöpfung „mit dem Rücken an der Wand und schlägt (verbal) wild um sich“ - und immer trifft es mich. Um mich selbst zu schützen, habe ich mich sehr, sehr weit aus der Beziehung zurückgezogen.
Tatsächlich eine kaum zu tragende zusätzliche Bürde, da er sich der Dringlichkeit einer Therapie verschließt und seinen Zustand nicht ernst nimmt. Ich kann nur bitter, ganz bitter hoffen, daß bald DER Zusammenbruch kommt und er in Therapie geht, sonst tötet die Krankheit unsere Beziehung endgültig.
Und eine ganz wichtige Freundin und Vertraute ist eine neue Beziehung eingegangen. Sie muß ihr Standing gegen die besitzergreifenden Ansprüche dieses neuen Partners erst finden und neu definieren, um sich selbst nicht wieder zu verlieren.
Darüber hinaus finden im familiären Umfeld Umbrüche statt, die auch bewältigt werden wollen - ich bin als Tante gerade sehr gefordert, und jetzt „da“ zu sein, ist das Wichtigste überhaupt für mich. Egal wie es mir geht - ich bin da - und wenn ich auch anschließend eine Woche ins Bett muß, ich bin da. Punkt!
Und all das in diesem Moment, wo der schwarze Tsunami tröpfchenweise über mir zusammenbricht.
Bedingt durch den Hyperarousal muß ich mein Streßlevel unbedingt unten halten, ein Zuviel an Streß treibt den Körper in den Fluchtreflex „Suizid“. Ich kann diesen Impuls sehr genau fühlen, aber auch als Streß-Symptom einordnen. Aber die geplante Reise mit meinen Neffen muß ich mit großer Trauer absagen, ich muß zuhause bleiben, in „sicherer“ Umgebung. Sämtliche angedachten Reisepläne liegen ad acta, ich muß zuhause bleiben… safe!
Fast jeden Abend sitze ich am Rhein und finde dort für einen Moment Seelenruhe und komme in den Ausgleich. Überlebensstrategie.
Aber das Trauma schert meine Lebensumstände nicht. Ich soll, muß die Traurigkeit zulassen, um nicht an ihr zu ersticken. Diese (nach)erlebte Traurigkeit macht die Welt surreal, aus der Zeit gefallen, die „Draußen-Zeit“ passt nicht zur „Innen-Zeit“, alles merkwürdig verschoben. Ich habe wieder Wochen hinter mir, entsetzlich. Irgendwie weitermachen und ganz wichtig - keine relevanten Entscheidungen treffen, alles irgendwie verschieben. Ich habe mir ein Schwarzbuch gekauft, um das „Schwarz“ aus dem Kopf zu schreiben und die Seele zu entlasten, aber selbst dazu fehlt die Kraft…
Doch - ich werde nicht aufgeben, ich kämpfe weiter. Da sitz der Trotz auf meiner Schulter und brüllt die Welt an: Die Krankheit wird nicht gewinnen! Am Ende siegt immer mein unbändiger Wille, zu überleben.
08.05.2023
Es stockt. Schon wieder. Immer wieder. Nachdem ich den folgenden Text geschrieben hatte, war ich wieder einmal einige Tage „out of order“. Es ist so zermürbend… also:
Ich bin längst mit der Geschichte meiner Mutter angefangen. Habe Kindheit und Jugend soweit bekannt zusammengetragen, so wie sie es mir erzählt hat. Es ist sehr wenig. Wie viele aus der Kriegsgeneration haben auch meine Eltern fast nichts aus ihrer Jugend - den (Nach)Kriegsjahren berichtet, sie wollten nicht zurückdenken. So ist es nicht viel, was ich aus der Kindheit und Jugend meiner Mutter weiß.
Von einigen tiefen Verletzungen weiß ich und habe sie im Text aufgegriffen. Natürlich laufen die Gedanken während des Schreibens hin und her, Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend, neue Erkenntnisse erwachsen aus der Auseinandersetzung mit ihrer, unserer und meiner Geschichte. Verstehen, wieso ihre Liebe zu den Kindern eine so kranke Ausdrucksform hatte, geprägt durch ihre eigenen Traumata, aber kein Entschuldigen mehr. Denn, nochmal:
Dezember 2021, Gruppentherapie: „Worauf sind Sie stolz?“ werden wir gefragt. Ein Mann, Anfang 50, antwortet: „Daß ich die als Kind erlebte Gewalt und den Mißbrauch nicht an meine Kinder weitergegeben habe und es mir gelungen ist, ihnen ein gutes Zuhause zu geben und ihnen ein liebevoller Vater zu sein“.
Und dann muß ich wieder abbrechen. Ein eigenes Trauma von mir explodiert in meinem Herz. Etwas, von dem ich dachte, ich hätte es längst überwunden. Aber nein, es hat nur auf diesen Moment gewartet.
Das ist immer wieder (mein) das Problem: Der Verstand hat den Sachverhalt, die Verletzung lange erkannt und argumentativ widerlegt. Aber die Emotion, der Schmerz, ein weiterer Tropfen aus dem schwarzen Tsunami, ist längst nicht aufgearbeitet. 58, 60 Jahre war die Emotion gefangen in tiefer Verdrängung und jetzt explodiert diese Verletzung in meinem Herz.
Da ist dieses kleine, zarte Wesen, so klein, daß es noch kein Bewußtsein für seinen Namen hat, gefangen in lichtlosem Dunkel. Ein Verschlag, kaum größer als das Wesen, mit ausgestreckten Armen kann es den Raum tasten, so lichtlos dunkel, daß ich sie nicht sehen kann. In einer Meditation gelingt es mir, diese so kleine Hand zu fassen und versuche, in einen Dialog zu kommen. Aber zu schwarz, zu dunkel, zu verzweifelt ist diese kleine Wesen.
Ungeliebt, wertlos, ihr Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung erstickt von der Ignoranz, der Verleugnung der Mutter, eine verzweifelte Seele in tiefster Dunkelheit.
Dieser Schmerz explodiert in mir, raubt mit den Lebenswillen, ich fühle (nach), wie dieses kleine Wesen nur noch das Ende von allem will.
Schwierige Tage. Lähmung. Dieser Schmerz hat mich so überrannt, daß ich all meine gelernten Skills vergessen habe, mir selbst nicht mehr helfen kann.
Erst das Therapiegespräch Tage später hilft mir, meine Skills wiederzufinden und langsam, nach knapp vier Wochen, bin ich „wieder in der Spur“, leiste meine Traumaarbeit und versuche Zugang zu finden zu diesem Wesen. Noch ist alles in dieser lichtlosen Dunkelheit, es wird dauern.
Aber ich kann jetzt erst einmal weitermachen.
Anmerkung: Ich habe diese Situation sehr sachlich beschrieben, allerdings ist das Durchleben der Situation nicht distanziert möglich. Du bist dann wirklich in der Situation, dieser unglaubliche Schmerz ist real.
„Manche Erinnerungen sind so schlimm, daß es ein großes Maß an Reife braucht, um sie zuzulassen“ sagte mal ein Therapeut zu mir. Und so ist es. Nur weil ich schon so viel aufgearbeitet habe, bin ich überhaupt in der Lage, das auszuhalten, nicht dauerhaft zu verzweifeln und - ganz wichtig - suizidale Momente als Vergangenes einzuordnen und zu überleben.
Und, für mich, in meiner emotionalen Welt, ist das, was ich gerade hier beschrieben habe, viel, viel schlimmer, als der sexuelle Mißbrauch. Im Moment scheint es mir, daß dies womöglich die primäre Verletzung ist, die erst alle weiteren möglich gemacht hat.
31.03.
Auf der Flucht… ein Projekt jagt das nächste: Nähen, schrauben, bohren, nicht zur Ruhe kommen wollen, nur nicht denken, bloß nicht hingucken.
In der letzten Aktualisierung vom 11.03.2023 ging es darum, wie es gelingen kann, sich als Mißbrauchsopfer seine eigene Sexualität aktiv zurückzuerobern. Das ist ein Riesenschritt, der meine in der Krankheit erstarrte Seele wilden, tobenden Stürmen aussetzt.
Auf der einen Seite die große Befreiung, die den Körper mit Unmengen an Endorphinen und Adrenalin flutet, mir unendlich Kraft gibt. Auf der anderen Seite die Aufarbeitung des Mißbrauchs. Und das Unterbewußtsein ist ein kleines mieses… Sie wissen schon. Es offenbart sich scheibchenweise, sobald man Kraft genug gesammelt, kommt es aus der Dunkelheit und wirft mit Dreck.
Zwei Flashbacks in den letzten 14 Tagen, aber nicht so richtig, nur Andeutungen sehr realer Erinnerungen, beide eine ganz kleine Scheibe von einem riesigen Etwas. Eine Ahnung, daß das, was dahinter steckt, so gewaltig ist, daß die Annäherung nur in kleinsten Schritten erfolgen kann. Aber auch ganz brutal: Das Körpergedächtnis - echter, realer Schmerz, der den Unterleib auseinander reißen will. Und - Körpergedächtnis! - da hilft kein Ibuprofen und kein Heizkissen, da mußt Du durch…
Dieser riesige, tiefschwarze Tsunami, der hinter mir steil aufragt und über mir zusammenbrechen will - ich denke, es ist gar nicht der körperlich vollzogene Mißbrauch, sondern die brutale, emotionale Gewalt, diese so verletzte und verlorene Seele eines Kindes, eines Teenagers in ihrem schreiende Entsetzen und ihrer bodenlosen, schwarzen Einsamkeit.
In einzelnen Tropfen beginnt der Tsunami sich zu bewegen. Und jeder Tropfen ist ein Trigger des sexuellen und emotionalen Mißbrauchs.
Schwierig halt alles.
Der Riesenschritt bringt aber auch: Hoffnung! 💖
Nicht weit entfernt von der Stelle, wo im Dezember 2017 fast alles zu Ende gegangen wäre - das erste Mal seit Jahren geht es mir richtig, richtig gut. Und ich kann dieses Glück tatsächlich spüren. Hoffnung!
Es ist Mittwoch, der 15. März, so gegen drei Uhr nachmittags - ein Wendepunkt.
Und dann das, Geburtstagsgrüße:
„Sei weiterhin das strahlende Lichtwesen, was Du bist, und erleuchte viele weitere Herzen mit Wärme und einem Schuß Humor.“
Auch das bin ich. Vielleicht ist es das kleine Mädchen, das sich mit 3 oder 4 Jahren weggeschlossen hat, um nichts mehr zu fühlen und nur noch zu funktionieren. Im Laufe der Therapie hat sie sich irgendwann gezeigt, inzwischen konnte ich sie wieder integrieren, ihre unverbrauchte Lebensfreude, ihr unverbildeter und offener Blick auf das Wesen Mensch, ihre Neugier auf das Leben. Ihre grenzenlose, unenttäuschte Liebe.
Mein Rettungsanker.
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Und natürlich zwingt mich die persönliche Auseinandersetzung mit Mißbrauch und eigener Sexualität an ein Kernthema:
Meine Mutter, nein: Die Mutter - Distanz schaffen, zu viel Emotionen, zu viel Verletzungen.
Dezember 2021, Gruppentherapie: „Worauf sind Sie stolz?“ werden wir gefragt. Ein Mann, Anfang 50, antwortet: „Daß ich die als Kind erlebte Gewalt und den Mißbrauch nicht an meine Kinder weitergegeben habe und es mir gelungen ist, ihnen ein gutes Zuhause zu geben und ihnen ein liebevoller Vater zu sein“.
Genau in diesem Moment, mit fast 60 Jahren, habe ich endlich aufgehört, Verständnis für meine Mutter zu haben. Immer neue Entschuldigungen zu finden, daß sie nicht anders konnte.
Doch - wir alle können anders! Es ist einfach nur eine Entscheidung, Dinge anders zu machen, als man es selbst erlebt hat.
Und doch bleibt das Verhältnis zu meiner (verstorbenen) Mutter ambivalent.
Eine Erinnerung: Die Mutter, die in mein Jugendzimmer kommt, während mein Stiefvater unter meiner Bettdecke rumfuchtelt: „Was ist denn hier los?“, sich umdreht und wieder rausgeht. Die am nächsten Morgen nicht nachgefragt hat, „was denn da los war“, die ihrem Mann nicht die Koffer vor die Tür gestellt hat, die alles verdrängt hat, die später im Leben von sich behauptet hat, sie sei eine gute Mutter gewesen.
Ich arbeite an dem Thema…
Was für eine wunderschöne Frau, Jahre bevor ihr Trauma aufgebrochen ist, und wie verbittert sie am Ende war.
11.03.
Ein Datum - eine ständige Erinnerung an jemanden, mit dem ich lange Zeit viel Spaß hatte. Daß ausgerechnet der Gedanken an diesen Menschen der Einstieg ist dieses Thema bildet… Solltest Du das je lesen, trotz allem anderen von Herzen Dank für die vielen schönen Stunden.
Worauf läuft das hinaus? Darum geht‘s: Zum Thema Depressionen und Sex hatte ich schon hier und hier geschrieben.
Das war jedoch, bevor der fortwährenden sexuellen Mißbrauchs aus der Dunkelheit der Amnesie gebrochen ist. Wie nun wieder einen Weg zurückfinden zu einer positiv erlebbaren, befreienden Sexualität?
An dieser Stelle verlasse ich jetzt den Bereich Aktuelles. Das Thema ist so speziell, ich möchte Sie da nicht reinstolpern lassen. Wenn Sie das Thema interessiert, dann gehen Sie bitte direkt an diese Stelle.
Und ganz besonderen Dank an die wenigen Menschen, die mich auf diesem sehr diffizilen Weg einfühlsam begleiten (dürfen). Natürlich meine Therapeutin, Frau Dipl.-Psych. Michaela Grant, mein sicherer Anker und einfühlsame Begleiterin, und… da belassen wir jetzt mal bei.
Doch, Moment, eines muß sein: M. - DANKE!
Aus einem anderen Blickwinkel (Kinderprostitution in den 1970er) - Interessant für meine Geschichte fand ich das Schlaglicht auf zeitgenössische Aspekte „freier“ pädophiler Sexualität.
Der Spiegel:
Babystrich in Hamburg, 29.01.2023
…und sonst … der Frühling kommt, meine Vespa faucht in der Garage und will raus. Gott, was freue ich mich darauf, wieder unterwegs zu sein. Stilecht. Im Petticoatkleid. Und natürlich habe ich einen Überzieher für den Nierengurt genäht, ich werde doch den Style nicht mit einem profanen schwarzen Nierengurt verderben. 😂
Immer noch ist eine Ausfahrt mit meiner Vespa mein zuverlässigstes Antidepressivum.
14.02.2023
Seit Monaten will ich weitermachen mit dieser Website (siehe unten Nachtrag vom 27.09., erst jetzt veröffentlicht). Und doch findet sich immer eine Ausflucht, etwas anderes zu tun.
Die Traumatherapie ist anstrengend genug, ein ständiger Horrortrip. Ich muß wieder ins Krankenhaus, stehe immer wieder vor der Selbsteinweisung. Und ich habe überhaupt keine Lust dazu, wieder 8, 9, 10 Wochen? Krankenhausalltag, boah ey, keine Böcke, aber ich muss…
Solange meine Dissoziative Bewegungsstörung nicht in den Griff bekommen wird, kann meine Seele nicht heilen.
Ich bin so müde, so erschöpft - so aufgefressen von meiner Krankheit, keine Reserven. Keine Kraft für soziale Kontakte. Ich muß mir den Alltag abringen, zwinge mich, ein Mindestmaß an Kontakten zu halten. Kampf - Tag um Tag kämpfen.
Aber ich will jetzt weitermachen mit meiner Website, fest vorgenommen… 🙈
Mein ganzes Leben lang habe ich alle Herausforderungen angepackt und zügig abgearbeitet. Aber so funktioniert Traumatherapie nicht - anfangen und zügig abarbeiten. Das ist kontraproduktiv. Loslassen und (in therapeutisch gelenkten Bahnen) treiben lassen - dann kriecht das Grauen aus den dunklen Ecken und kommt ans Licht. Scheibchenweise, eine nach der anderen.
Willkommen im Horrortrip Traumatherapie.
„Warum ich mir das antue?“ fragen Sie. Es ist keine Entscheidung, die man bewußt trifft. Das Herz schreit danach, endlich vom Grauen der Vergangenheit befreit zu werden, und dafür muß alles bzw. vieles ans Licht. Und es zwingt dich in die Auseinandersetzung. Punkt.
Weitergegebenes Kriegstrauma:
Jede Auseinandersetzung mit dem Ukraine-Krieg birgt die Gefahr, daß in mir Todesangst explodiert, wie ein Vulkan. Die Emotion ist real, sie ist der Spiegel des Bombenangriffs, der meine Mutter traumatisiert hat. Das Wissen darum ändert nichts daran, daß die Todesangst eine reale Emotion ist, die mich auffressen will, lähmt, handlungsunfähig macht, mich zurückwirft in einen „Funktionieren-müssen-Modus“, den ich ein Leben lang gelebt habe und der mich krank gemacht hat. Es braucht Tage, in denen nichts geht, um mich wieder einzufangen und ins Hier und Jetzt zu holen.
Achtung Triggerwarnung:
Öffnen Sie die "Erinnerungen" nur, wenn Sie sich absolut sicher sind, daß Sie sich mit den Erinnerungen sexuellen Mißbrauchs auseinandersetzen wollen....
Und kaum hast du Luft geholt, kannst weitermachen…
29. Mai 2022 - Punta di Hidalgo/Teneriffa
Das habe ich noch nie gesehen - im Sonnenuntergang strahlt die Sonne senkrecht gen Himmel.
Ein magischer Moment.

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